Kostbare Tropfen für Kunden aus Übersee

Trier · Wie schmeckt ein Riesling, der pro Liter mehr als tausend Euro kostet? Das konnten Weinliebhaber am Freitag bei der alljährlichen Versteigerung der besten Tropfen aus 16 Spitzenweingütern von Mosel, Saar und Ruwer testen.

Trier. Zehn Stunden hat Michael Hu im Flugzeug gesessen, um an diesem Tag in Trier zu sein. Anstatt den so sommerlich warmen Freitagnachmittag damit zu verbringen, die Porta Nigra oder das Karl-Marx-Haus anzuschauen, sitzt Hu im Konferenzsaal der Europäischen Rechtsakademie. Am Vormittag hat er rund 30 Moselrieslinge probiert. Fünf hat er ausgewählt, insgesamt will er 200 Flaschen mit zurück nach Shanghai nehmen. "I love Moselriesling", schwärmt der Chinese.
Mitbieten dürfen bei der Weinversteigerung des Großen Rings Mosel-Saar-Ruwer des Weingüterverbands VDP allerdings nur sieben ausgewählte Kommissionäre. Für Hu bietet Johannes Selbach aus Zeltingen mit. Der Chinese ist nicht sein einziger Kunde aus Übersee, für den Selbach an diesem Tag ein Budget verwaltet, über dessen Höhe niemand so recht sprechen will. "USA, Kanada, Schweiz, England - 80 Prozent meiner Kunden bei der Weinversteigerung sind aus dem Ausland, Händler und Weinliebhaber", sagt Selbach.
Den Job als Auktionator hat Maximilian von Kunow voriges Jahr von seinem Vater übernommen. Vor Kunow junior liegen vier Stunden höchste Konzentration. Schließlich geht es nicht darum, ein einzelnes Produkt an einen einzigen Kunden zu einem möglichst hohen Preis zu verkaufen. Ein Los besteht fast immer aus mehreren Flaschen, mal fünf, mal 100, mal 800 Stück. Die Kommissionäre teilen die Flaschen unter sich auf. Von ihren Kunden haben sie strikte Vorgaben: "20 Flaschen, wenn der Preis unter 350 Euro bleibt, zehn Flaschen, wenn er bis 400 Euro steigt", etwa. Die Kommissionäre stecken die Köpfe zusammen und tüfteln aus, wer bei welchem Preis wie viele seiner Kunden bedienen kann.
Gleich beim dritten Los - 540 Flaschen eines 2013er Kabinetts aus dem Weingut Egon Müller-Scharzhof - schießen die Gebote in die Höhe. "90, 91, 92, 93", zählt von Kunow im Staccatotakt hoch. "100! 100 für einen Kabinett!", begeistert er sich wenige Sekunden später. Auch Winzer Müller freut sich. Bei 540 Flaschen, die im Angebot sind, steigen seine Einnahmen bei jedem Zehn-Euro-Schritt um 5400 Euro. Bei 113 Euro pro Flasche fällt der Hammer.
"Das Gros dieser Crème de la Crème der Weine verlässt die Region ins Ausland. In Deutschland ist die Bereitschaft einfach nicht so groß, so viel Geld für eine Flasche Wein auszugeben", sagt Marc Neumann. Der Trierer Weinliebhaber steigert per Kommissionär für eine Spätlese aus der Juffer Sonnenuhr, Weingut Schloss Lieser. Der Flaschenpreis ist auf 30 Euro taxiert. Neumann hat Glück: Der Preis klettert bis auf 60 Euro, 65 Euro wären sein Limit gewesen. Ob er den Wein trinkt oder aufhebt? "Zu besonderen Anlässen wird er natürlich getrunken!", sagt Neumann.
Was der Kunde mit der Drei-Liter-Flasche Juffer Sonnenuhr Auslese, Lange Goldkapsel, ebenfalls aus dem Weingut Schloss Lieser, macht, die er gerade für 1400 Euro ersteigert hat, bleibt ungewiss. "Für viele sind solche Unique-Flaschen Liebhaberstücke, wie eine teure Uhr oder ein Auto, und nicht zum Trinken gedacht", sagt Neumann.Extra

Bei der Weinversteigerung des Großen Rings Mosel-Saar-Ruwer sind am Freitagnachmittag 7321 Flaschen Prädikatswein, verteilt auf 56 Lose, für insgesamt rund 883 000 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) versteigert worden. Zum Ticketpreis von 30 Euro konnten die rund 280 Gäste alle Weine probieren. Den höchsten Flaschenpreis erzielte eine 1,5-Liter-Magnum-Flasche 2013er Scharzhofberger Auslese Goldkapsel des Weinguts Egon Müller-Scharzhof mit 1845 Euro. Höchstpreise erreichten unter anderem auch ein 2008er 0,75-Liter-Eiswein aus der Saarburger Rausch des Weinguts Forstmeister Geltz-Zilliken mit 570 Euro, eine Drei-Liter-Flasche 2013er Juffer Sonnenuhr Auslese Lange Goldkapsel aus dem Weingut Schloss Lieser mit 1699 Euro und die 1,5-Liter-Magnum-Flasche 2013er Wehlener Sonnenuhr Auslese Lange Goldkapsel, Weingut Joh. Jos. Prüm, mit 1468 Euro. woc

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort