Kultur-Doktor und Karrenschieber

TRIER. Der neueste Ehrendoktor der Universität Trier ist der Todfeind der italienischen Mafia: Leoluca Orlando erhielt gestern aus den Händen von Dekan Karl-Heinz Pohl die seltene Auszeichnung.

Keine Leibesvisitation, nicht einmal Taschenkontrollen: Fern von "la familia" haben sich bei der Ehrung Leoluca Orlandos in Trier nur einige Zivilbeamte im Saalpublikum versteckt. Dabei ist der neueste Doktor honoris causa der Universität Trier der Todfeind der italienischen Mafia. "Ein unermüdlicher Kampf gegen das organisierte Verbrechen und der Einsatz für einen Kulturwandel" als Ausdruck "praktisch angewandter Wissenschaft" hätten den Fachbereichsrat "einstimmig" überzeugt, gratuliert Dekan Karl-Heinz Pohl Leoluca Orlando zur prestigeträchtigen Urkunde. Nur vier mal in 30 Jahren haben die Trierer Kulturwissenschaftler bisher ihre Ehrendoktorwürde ehrenhalber vergeben.Weltweites Wirken als "Gesellschaftsarzt"

Dass ausgerechnet einen Juristen und Politiker aus Sizilien jetzt der kulturelle Ausnahme-Titel ziert, verdankt dieser seinem weltweiten Wirken als "Gesellschaftsarzt": "Wucherungen bedrohlichster Art zerfressen die Sozialkörper", skizziert Laudator Hartmut Köhler die Diagnose der Postmoderne. Orlandos optimistische Antwort darauf: "Therapie ist möglich!" Statt still zu leiden, hat der Rechtswissenschaftler in seiner Heimat selbst zum politischen Skalpell gegriffen - auf eigenes Risiko. Jahrzehntelang hätten Korruption und Terror gerade in Sizilien die Menschen zum Melkvieh der Mafia degradiert, berichtet der Italianistik-Professor Köhler. Doch seit Orlando Bürgermeister von Palermo wurde, stößt die "Milch" - in Form von Schutzgeld - den Mafiosi sauer auf: Kultur- und Jugendarbeit sind wieder auferstanden. Orlandos Rezept, eine kulturelle Rundum-Kur, ist exportfähig. In seiner Mission reist der Europa-Parlamentarier bis in entlegene Korruptionshochburgen weltweit. Der kulturelle Karren, den er unermüdlich aus dem Dreck ziehen will, fahre oft auf ungleichen Rädern, beschreibt Orlando seine Sisyphus-Arbeit. "Recht und Zivilgesellschaft müssten parallel laufen", beschreibt er die gesellschaftspolitische Route. Für den gelernten Juristen ist dabei der Normgeber klar: "Legalität", nuschelt er mit unverkennbar italienisch schwerer Zunge ins Mikrofon, "ist fröhlich und angemessen". Orlando rückt seine Brille gerade. Eine enge Bindung zu Deutschland habe er, gesteht der 57-Jährige, der während seines Studiums in Heidelberg gelebt hat. Ganz auf dem falschen Campus scheint der "unbeirrbare Beackerer des Felds kultureller Grundwahrheiten" - wie ihn Laudator Köhler nennt - auch heute nicht zu sein: Platz 15 halte Deutschland auf der weltweiten Negativliste der Korruption, berichtet Köhler. Die dicken Fische unter den Kriminellen sollten im "weltweiten Netz der Legalität" hängen bleiben, sagt der sizilianische Aufrichtigkeitsfischer Leoluca Orlando zum Abschluss seiner Ehrung: Die Würdigung aus Trier sei "ein Knotenpunkt in diesem Netz".

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