Kunst mit Kuschelfaktor

TRIER. (mew) Ein Künstler-Konglomerat feiert seinen 20. Geburtstag: die Kulturwerkstatt Trier. Bis zum 18. Dezember können deren Arbeiten im Rahmen der Jahresausstellung im zweiten Obergeschoss der Tufa besichtigt werden. Vom kuscheligen Schäferstündchen bis zur Variation der Reise nach Jerusalem – die rund 40 Künstler haben ihrer Kreativität freien Lauf gelassen.

Ein olivgrüner Knackpo springt den Betrachter förmlich an, umrahmt von zwei antik anmutenden Säulen, auf deren Dachverbindung große Lettern prangen: "Erkenne dich selbst". Jan Bödecker hat dieses Kunstwerk eigentlich als Kulisse für ein Shakespeare-Schauspiel geschaffen. Doch wegen seiner Aussage passt es perfekt in die Ausstellung der Kulturwerkstatt. Denn wohl jeder der rund 40 Künstler braucht einen inneren Antrieb, um zur Feder, zum Pinsel, zu Ton, zum Fotoapparat, Hammer und Meißel, Musikinstrument oder zur Kamera zu greifen. Ob dies tatsächlich stets die viel gepriesene Selbstverwirklichung ist? Betty Jüngling, die ihre Bilder mit selbst verfassten Gedichten verbindet, bejaht dies: "Jeder, der durch Kunst sein Inneres nach außen kehren will, kann hier ausstellen." Dass hier nun wahllos, Exponat an Exponat gereiht wird, kann man dennoch nicht feststellen. Die Trierer Künstlerszene scheint sich schon zu beratschlagen, was man in die Ausstellung aufnimmt und nicht so ganz in das dynamische Konzept zu passen scheint. In diesem Jahr ist auffallend viel Farbenfrohes zu entdecken. Maria Maret, mit ihren 93 Jahren eines der wohl ältesten Mitglieder, geht sogar so weit, dass sie Farbe und Form als oberstes Prinzip sieht, was den Inhalt sekundär werden lässt. Auch wenn sie oft leicht und herzerfrischend daherkommt, kann Kunst durchaus harte Arbeit sein. Dass der Prozess des Erarbeitens ein wichtiger Punkt im Entstehungsprozess ist, betont Beuys-Schülerin Ulla Rass. "Es ist Kunst, wenn man es umsetzt." Ihr legendärer Lehrmeister wurde häufig falsch verstanden. Seiner Maxime "jeder Mensch ist potenziell ein Künstler" klaute man des Öfteren das elementare Wörtchen "potenziell" und machte ihn somit zum Fürsprecher einer Kunst, die aus dem Elfenbeinturm in eine Banalität stürzte, die wirklich jedem erlaubt, sich als Künstler zu verstehen. Eine Entwicklung, die auch Ulla Hahn heutzutage verstärkt beobachtet: "Es gibt einen extremen Trend zur Oberflächlichkeit, aber man muss eben auch denken, wenn man Kunst schaffen möchte." Doch auch manche ihrer Kollegen scheinen gedankenlosen Momenten erlegen zu sein, als sie ihre Werke schufen. So hat Joe Collins in einer waghalsige Kletteraktion ein Gipfelkreuz gestürmt, zwei Mitkletterer motiviert und so ein Foto geschossen, das wirkt wie eine Mischung aus "das Leben des Brian" und einem dreifachen Größen- beziehungsweise Höhenwahn. Stolz ist er auch mit zeitlichem Abstand auf diese Aktion: "Geil, oder?", manzt er. Die direkt gegenüber hängenden Pastellkreide-Akte von Anne Lukasik-Fisch schaffen einen Kontrast, wie er größer nicht sein könnte - skurril gegen konventionell. Eine geplante Wanderausstellung hat die Wittlicher Gruppe "KonkoDrone" in Angriff genommen. Ihre Stuhl-Installation, die die gute alte Reise nach Jerusalem künstlerisch umsetzt, wird demnächst auf ehemaligen Truppenübungsplätzen und auf einem Supermarktparkgelände und anderen ungewöhnlichen Orten aufgestellt und fotografiert werden. "Wir wollen etwas Wärme in den Winter bringen", erzählt Klaus Seibert. Eine Ambition, weit weg von der Selbstfindung, aber nicht weniger reizvoll, vor allem in Anbetracht der Wetterlage. Ebenfalls Kuscheliges verspricht die Installation von Karl-Josef Prüm, der Schafwolle zum sensorischen Erlebnis macht - ein Schäferstündchen der anderen Art.

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