Landgericht Trier verhandelt mutmaßliche Vergewaltigung einer Prostituierten

Trier · Wegen Vergewaltigung einer Prostituierten muss sich ein 23-Jähriger vor dem Trierer Landgericht verantworten. Die Frau will vor Gericht allerdings nicht selbst aussagen.

Von einem Schäferstündchen spricht man normalerweise, um den Akt der Liebe zu beschreiben. Um Liebe ging es am 23. Januar 2016 in einem Bordell in der Trierer Karl-Marx-Straße ganz sicher nicht. Auf einem Stündchen - besser gesagt: auf einer vollen Stunde - bestand der Freier von Violetta aber unbedingt.
"Das hat er bei seiner Vernehmung immer wieder betont: Er habe für eine ganze Stunde bezahlt, und er wollte daher auch die Dienstleistung der Dame für eine volle Stunde in Anspruch nehmen", berichtete am Montag eine Richterin, die nach der Festnahme des Angeklagten über dessen Einweisung in die Untersuchungshaft entschieden hatte. Die Haftrichterin war als Zeugin vor die Erste Große Strafkammer des Trierer Landgerichts geladen.

100 Euro hatte der 23-jährige Angeklagte für eine volle Stunde vorab an der Bar des Nachtclubs bezahlt. Dann ging's mit der Prostituierten ins Séparée. Zuerst gab's Oralverkehr mit Kondom, dann Geschlechtsverkehr, ebenfalls mit Kondom. Danach rauchten die beiden zusammen eine Zigarette. Eine halbe Stunde war vorbei.
Offenbar hielt die Prostituierte ihren Teil des Vertrags damit für erbracht. Der Freier wollte allerdings mehr.
Die anschließenden Verhandlungen zwischen dem Syrer und der bulgarischen Frau dürften nicht einfach gewesen sein. "Er schilderte mir, sie hätten in gebrochenem Englisch und mit Zeichensprache kommuniziert", berichtet die als Zeugin geladene Haftrichterin von ihrer Vernehmung. Schließlich habe die Prostituierte weiterem Geschlechtsverkehr zugestimmt.

Bis zu diesem Punkt des Geschehens stimmen die Schilderungen der Frau und ihres Freiers überein.
Bei ihrer Anzeige bei der Polizei hatte die Prostituierte allerdings angegeben, der Mann habe sie plötzlich gewürgt, festgehalten und so zum Sex ohne Kondom gezwungen. Der Angeklagte ließ dagegen am Montag vor Gericht seinen Rechtsanwalt Jens Tuschhoff aussagen, dass es "keinen nicht-einvernehmlichen Verkehr" gegeben habe. Sein Mandant habe "niemanden gewürgt", die Rötungen am Hals der Frau könnten vielmehr von "leidenschaftlichen Küssen oder dem Oralverkehr stammen".

Damit steht Aussage gegen Aussage. Die Prostituierte kann allerdings nicht nach weiteren Details befragt werden: Die Frau befindet sich mittlerweile offenbar wieder in ihrem Heimatland und war der Ladung des Gerichts nicht gefolgt. Ihre Anzeige habe sie im Januar 2016 offenbar auf "Initiative des Bordellbetreibers" gestellt, hatte Staatsanwalt Christian Hartwig gegenüber dem TV erklärt.

Das Gericht muss sich damit begnügen, was die Prostituierte der Polizei bei Stellung dieser Anzeige schilderte. Und auf das, was die Frau dem Bordellbesitzer und einer weiteren Mitarbeiterin des Nachtclubs nach dem Vorfall berichtet hat.

"Diese Bar-Mitarbeiterin hat bei ihrer Zeugenaussage vor Gericht den angeblichen Würgevorfall allerdings mit keiner Silbe erwähnt. Und auch der Bordellbesitzer konnte sich an vermeintliche Rötungen am Hals erst auf Nachfrage erinnern", erklärte Rechtsanwalt Tuschhoff am Montag vor Gericht.

Auf die Spur gekommen war das Gericht dem Angeklagten erst im Januar 2017, ein Jahr nach dem Vorfall. DNA-Spuren an einem T-Shirt, das der Angeklagte im Bordell zurückgelassen hatte, stimmten mit einer Probe in der polizeilichen Datenbank überein. Der genetische Fingerabdruck des Angeklagten sei bei einem anderen Ermittlungsverfahren aufgrund einer richterlichen Anordnung gespeichert worden, teilte das Landgericht mit. Zu einer Vorstrafe hatte dieses andere Ermittlungsverfahren allerdings nicht geführt.

Seit seiner Festnahme am 11. Januar 2017 sitzt der Angeklagte in Untersuchungshaft. Weil das Prinzip "Im Zweifel für den Angeklagten" gelten müsse, forderte sein Anwalt am Montag, die Tatvorwürfe gegen den 23-Jährigen fallen zu lassen oder ihn zumindest aus der U-Haft zu entlassen.

Das Gericht widersprach diesem Antrag: Die Beweisaufnahme sei noch nicht abgeschlossen, der Angeklagte weiter dringend tatverdächtig, argumentierte die Kammer. Außerdem bestehe angesichts einer möglicherweise hohen Haftstrafe Fluchtgefahr, weshalb er in U-Haft bleiben müsse.

Dem Antrag des Rechtsanwalts, ein psychiatrisches Gutachten einzuholen, stimmte die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz dagegen zu. Das Gutachten soll klären, ob der Angeklagte als Flüchtling unter den Auswirkungen von Krieg, Verfolgung und Flucht leidet und deshalb nicht voll schuldfähig ist. Auch eine mutmaßliche Alkoholabhängigkeit soll das Gutachten untersuchen.
Volle Stunde, volle Leistung

Die Frage, ob ein Schäferstündchen eine volle Stunde dauern muss, beschäftigt derzeit auch die Staatsanwaltschaft im Saarland: Ein 18-Jähriger aus Saarwellingen hat dort eine Prostituierte angezeigt, die sich ihm statt der zuvor vereinbarten vollen Stunde nur rund zehn Minuten gewidmet hatte. Der 18-Jährige beklagte gegenüber der Polizei, dass die Frau ihn bewusst zu schnell zum Höhepunkt gebracht habe, um die bereits vorab vollständig bezahlte Leistung nicht vollständig erbringen zu müssen. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken prüft den Fall.

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