Lebenslanges Leitmotiv: Heimatlosigkeit

Vor ihrem 80. Geburtstag hat sich Marianne Elikan entschlossen, das 63 Jahre währende Schweigen zu brechen und ihre Erinnerungen öffentlich zu machen. Geschehen wird das mit der Veröffentlichung des Buches "Das Leben ist ein Kampf", dessen Grundlage Tagebücher, Briefe und Gedichte sind, die Marianne Elikan in Trier und Theresienstadt geschrieben, erhalten und gesammelt hat. Voraussichtlicher Erscheinungstermin ist der 11. November.

 Erinnerungsobjekte an Marianne Elikans Schicksal: Historiker Thomas Schnitzler hat die Vergangenheit der Triererin und Überlebenden der Judenverfolgung aufgearbeitet. TV-Foto: Cordula Fischer

Erinnerungsobjekte an Marianne Elikans Schicksal: Historiker Thomas Schnitzler hat die Vergangenheit der Triererin und Überlebenden der Judenverfolgung aufgearbeitet. TV-Foto: Cordula Fischer

Trier. (cofi) Kennengelernt hat Historiker Thomas Schnitzler Marianne Elikan bereits vor elf Jahren, als er an seinem Buch über Trierer Sportgeschichte arbeitete. "Und dieser Kontakt ist nie abgerissen", sagt Schnitzler. Aber über ihre Vergangenheit und ihr Schicksal hat Elikan nie geredet - Schweigen aus Scham, aus Angst vor Ressentiments, aus Selbstschutz.

Große Überwindung kostet es sie auch heute noch, die Erinnerungen in die Gegenwart zu holen. "Es gab viele traumatische Bedrohungs-Situationen während unserer gemeinsamen Arbeit", bestätigt Schnitzler. Obwohl sie erleichtert sei, war Marianne Elikan, die mit ihrer Familie zur Buchvorstellung ins Trierer Bildungszentrum gekommen war, seelisch zu aufgewühlt, um vor den rund 100 Zuhörern sprechen zu können. Gemeinsam mit Thomas Schnitzler hat sie ihre Vergangenheit als deportierte Trierer Jüdin und Überlebende des Konzentrationslagers Theresienstadt in einem zwei Jahre dauernden Arbeitsprozess aufgearbeitet.

Kampf um Anerkennung und Wiedergutmachung



Im von der Propaganda des Nazi-Regimes als "Vorzeigeghetto" oder "Alterswohnsitz für Juden" inszenierten Konzentrationslager Theresienstadt begann Marianne Elikan nach ihrer Ankunft 1942 - damals war sie 14 Jahre alt - mit ihren Tagebuch-Aufzeichnungen, dem Rückblick auf ihr bisheriges Leben und Beschreibungen ihres Überlebenskampfes. Dazu sammelte sie Gedichte von Mithäftlingen und Briefe. Auch nach ihrer Befreiung 1945 blieb ihr Leben von diesem Schicksal beeinflusst.

Sie kehrte zurück nach Trier, ohne Vertrauensperson, ihre Familie war ausgelöscht worden und niemand interessierte sich für ihre KZ-Vergangenheit. Entwurzelt, heimatlos - das ist das Leitmotiv und die Konstante in ihrem Leben. Jahrzehntelang dauerte der - zu großen Teilen erniedrigende - Kampf um Anerkennung und Wiedergutmachung.

"Historisch sensationell" und ein einmaliges Zeitdokument sind Marianne Elikans Aufzeichnungen. Ein Teil der Originalstücke - Tagebuch, Briefe, Ausweis-Dokumente, Gedichte, Fotos - und zur Verfügung gestellte Exponate anderer Opfer sind als Erinnerungsobjekte in einer Ausstellung in der Bibliothek Palais Walderdorff zu sehen. Sie läuft bis zum 24. Oktober. Das Buch "Das Leben ist ein Kampf" mit 280 Seiten und 60 Abbildungen, einer kommentierten Biografie und einem Glossar mit Erläuterungen historischer Begriffe und Sachverhalte wird im Wissenschaftlichen Verlag Trier erscheinen.

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