"Leere Dosen sind mehr wert als Milch"

TRIER. Dass wichtige Einrichtungen für Landwirtschaft und Weinbau von Trier nach Bernkastel-Kues verlegt werden sollen, ist den Betroffenen ein Dorn im Auge. Doch bei ihrer Demo in der Trierer Innenstadt ging es um mehr.

 Nur Fahrräder kommen durch: Die Bauern-Demo sorgt für Verkehrschaos in der Trierer City.Foto: Friedemann Vetter

Nur Fahrräder kommen durch: Die Bauern-Demo sorgt für Verkehrschaos in der Trierer City.Foto: Friedemann Vetter

DasLand, von dem Landwirte träumen, liegt gar nicht so fern. "Wirfordern den Anschluss an Luxemburg", steht auf mehrerenTraktoren. "Da gibt es noch anständige Preise für Milch undWein", so begründet Peter Biewers aus Tawern sein Plakat. SeinKahrener Kollege Johann Hirth schwärmt von der satten "Rente fürden Opa", mit denen die Luxemburger die Agrar-Betriebe indirektsubventionieren - und damit EU-Richtlinien elegant aushebeln. In Deutschland können die Bauern und Winzer solcherlei Wertschätzung nicht mehr erkennen. Sie fühlen sich, so sagen es die Transparente, "verraten", von "Raubrittern" ausgebeutet, "im Stich gelassen". Die geplante Agrarverwaltungsreform ist da nur ein weiterer Nadelstich ins ohnehin strapazierte Gemüt. "Die wollen Trier platt machen", schimpft Walter Rauen aus Detzem. "Die", das sind die "Bürokraten in Mainz", die "von Tuten und Blasen keine Ahnung haben".

In der Tat: Ob jemand vom Ministerium weiß, dass es für einen Bauern von der Obermosel zur Tagesreise wird, wenn er etwa aus Palzem zu "der Behörde" nach Bernkastel-Kues reisen muss? "Zehn bis zwanzig Mal im Jahr" müsse man dort antreten, schätzt Edmund Schmitz. Nach Trier hat er immer seine Frau mitgenommen, "die konnte dann in einem die Einkäufe erledigen". Zeitsparend und effizient für den bäuerlichen Haushalt. Aber in Mainz, das glauben alle, die sich in der Kälte für den Demo-Zug sammeln, interessiert allenfalls die Effizienz der eigenen Behörde, und nicht die der steuerzahlenden Klientel vom Land.

Der Frust, der sich hier sammelt und darin drastisch entlädt, dass man etwa Minister Bauckhage als Strohpuppe am Galgen baumeln lässt, richtet sich gegen mehr als eine strittige Reform. Zwischen den Landmaschinen ist die tiefsitzende Enttäuschung über den Niedergang eines ganzen Berufsstandes zu spüren. "Zwei leere Dosen sind mehr wert als ein Liter Milch" - der Text eines Transparents klingt wie ein Schrei. "Bei Skandalen fordert ihr Qualität, danach ist sie euch egal", hat einer auf seinen Traktor geschrieben.

Manchmal packt sie der Zorn. Wenn, zum Beispiel, Matthias May im Supermarkt beobachtet, "dass an der Fleischtheke kein Mensch darauf schaut, wo die Ware herkommt". Das einzige, was die Käufer interessiere, sei der Preis, sagt der Godendorfer bitter.

Der Großteil der Demonstranten ist im gesetzten Alter. Die Jungen fehlen. "Da gibt es eine ganz große Resignation", sagt Peter Giwer aus Wasserliesch, "die Leute haben sich aufgegeben, wie ein Toter, der in der Mosel schwimmt." Warum er das alles denn überhaupt noch mache, wird ein Jungbauer mit Techno-Kappe und Ohrring gefragt - er zuckt nur die Schultern. Und was sich ändern müsse? "Dass man mal wieder sieht, wofür man arbeitet", sagt er knapp. Aber es klingt nicht hoffnungsvoll, nicht einmal mehr zornig.

So bleiben die Reihen an diesem Freitag licht. 30 Traktoren machen sich auf eine Tour kreuz und quer über den Alleenring. Man fährt betont langsam, was zu einem Verkehrs-Chaos führt. "Dann merken die wenigstens, dass wir noch da sind", sagt einer. "In schleichendem Tempo große Wirkung erzielen", so beschreibt ein Verbandssprecher diese Taktik später bei der Kundgebung vor der Porta.

CDU mit großem Polit-Aufgebot

150 Bauern und Winzer sind dorthin gekommen - nur ein kleiner Teil der Betroffenen. Die CDU bietet geballte Prominenz auf, vom Landeschef Böhr bis zur fast geschlossenen Riege der Verbandsbürgermeister. SPD-ler werden nicht gesichtet, dabei versichert einem dieser Tage fast jeder rechenkundige Sozialdemokrat hinter vorgehaltener Hand, dass der Umzug der Ämter an die Mittelmosel zusätzliche Millionen kosten wird. Aber den Koalitionsfrieden gefährden will keiner.

Mangels OB und Landrat ziehen Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch und der Kreisbeigeordnete Dieter Schmitt in die Rede-Schlacht, unterstützt vom Veteranen Günther Schartz. Der schildert einmal mehr die "verzweifelte Lage der Landwirtschaft", aber das hat er schon so oft getan, dass es jetzt, wo es der Wahrheit so nahe kommt wie noch nie, routiniert klingt. Schartz beschwört die Qualität einheimischer Produkte, ein älterer Herr schwenkt dazu ein Plakat mit der Aufschrift "Geiz hat Grenzen".

Währenddessen laufen ganze Schulklassen über den Porta-Vorplatz, auf ihren Einkaufstüten prangt die Gegenparole: "Geiz ist geil". Es sieht nicht so aus, als hätten die Landwirte und Winzer den Zeitgeist auf ihrer Seite.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort