Leichte Brise aus Trier-Süd

TRIER-SÜD. Die Lederfabrik Rendenbach in der Karthäuserstraße gehört heute zu den weltweit größten Lieferanten für altgruben-gegerbtes Bodenleder. Liebhaber von exklusivem Schuhwerk schwören auf die "Rendenbach-Sohle".

Die Gerber- und die Karthäuserstraße in Trier-Süd umgingen die Trierer früher nach Möglichkeit in weitem Bogen. Durch den Straßenzug zog je nach Wind- und Wetterlage mehr oder weniger stark der beißende, säuerliche Gestank, der das Gerben von Tierhäuten mit sich bringt. Seit der Römerzeit war Trier auch eine Gerberstadt. Die für die Lederproduktion unverzichtbaren Rohstoffe — Eichenwälder und gutes Bachwasser - waren in unmittelbarer Nachbarschaft vorhanden. Um 1900 gab es in Trier noch ganze 30 Gerbereien. Das für das Gerben von Leder benötigte Bachwasser kam aus dem Altbach, die Eichenrinde wuchs in den Lohhecken in Luxemburg. Doch spätestens mit dem Siegeszug des Kunstleders warfen in den 60er Jahren die Gerbereien in Trier-Süd das Handtuch - alle, bis auf die Gerberei Joh. Rendenbach junior. Die Lederfabrik gerbt heute noch nach exakt dem gleichen Verfahren wie bei ihrer Gründung 1871: dem Altgrubengerbverfahren. Vor allem deshalb ist das ohne jede chemische Zutat produzierte Leder aus Trier weltweit gefragt und zählt zum besten, was der Markt zu bieten hat, wie der heutige Inhaber und Urgroßenkel des Gründers, Hanns Rendenbach, versichert. Bei dem von nur noch vier weiteren Betrieben in Deutschland angewandten Altgrubengerbverfahren werden die Tierhäute zusammen mit einer Gerbbrühe aus Baumrinden und -früchten in Eichenholzgruben neun bis zwölf Monate lang eingelagert und schließlich im Trockenspeicher getrocknet. Weiterverarbeitet wird dieses Leder ausschließlich für Leder für die Schuhsohle, das so genannte Bodenleder. In der betriebseigenen Stanzerei stanzen 35 Mitarbeiter Absätze, Hinterkappen, Lauf- und Innensohlen aus dem arbeitsintensiv gewonnenen Leder. Mit dieser "Rendenbach-Sohle" statten Edel-Schuhmanufakturen unter anderem in Frankreich, Großbritannien und den USA ihre exklusiven Schuhmodelle aus. Der Stempel "J. R." auf den Schuhsohlen gilt nicht nur bei Liebhabern von rahmengenähten Schuhen, sondern auch bei Filmstars und Rockmusikern als modisches "Must-have". Da die Lederfabrik gegen den Zeitgeist an der Tradition des Altgrubengerbverfahrens festhielt und zudem ein modernes Vertriebssystem aufbaute, sicherte sich das Unternehmen Rendenbach sein wirtschaftliches Überleben in dem in Deutschland fast ausgestorbenen Gewerbe. Die altgruben-gegerbten Ledersohlen aus Trier gelten unter Experten mit als das beste Bodenleder überhaupt, denn sie halten enorm lange, sind formstabil, schadstofffrei und keimtötend. "Wir wachsen, weil exklusives Schuhwerk gefragt ist und weil der Trend zur Natur geht", resümiert Hanns Rendenbach seinen Erfolg. "Fellchen stinkt, Talerchen klingt" sagte ein altes Sprichwort über das Gerber-Handwerk. Auch heute weht an manchen Tagen die charakteristische Geruchsnote aus Richtung Karthäuserstraße und erinnert an das schmutzige und harte Handwerk der Altgruben-Gerber, das hier dank der Liebhaber von langlebigen Schuhen noch nicht ganz in Vergessenheit geraten ist.

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