Lernen, wo andere Mittag machen

Trier · Das Café Bär in Trier-West schlägt die sprichwörtlichen zwei Fliegen mit einer Klappe: Junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz und keine Arbeit haben, werden für den Start ins Berufsleben fit gemacht, und es ist ein wichtiger Treffpunkt - nicht nur für die Stadtteilbewohner.

Trier. "Hacksteak, Bohnengemüse, Kartoffelgratin und Panna Cotta", steht an diesem Tag auf der Speisekarte des Café Bär. Das frisch gekochte Essen für wenig Geld ist einer der Gründe, weshalb Karin Becker (59), Anneliese Graf (87) und Charlotte Karthäuser-Austgen (66) täglich in das schnuckelige Stadtteilcafé in der Bärenfeldstraße kommen. Alle drei sind Witwen und das gemeinsame Mittagessen ist ihnen heilig. "Es schmeckt gut, einer kennt den anderen, man kann sich austauschen und isst nicht alleine", sagt Becker. Selbst auf Extrawünsche gehe der Koch ein. Gegen 12 Uhr füllt sich das Café: Mitarbeiter des Jobcenters, Handwerker, Berufstätige aus der City und Stadtteilbewohner kommen, um dort ihre Mittagspause zu machen.
Angela und Tamara (beide 19) servieren Getränke und Menüs. Hinter der augenscheinlichen Normalität eines Cafébetriebs steckt aber weitaus mehr: Im Café Bär werden die Gäste von jungen Menschen bedient, die weder Ausbildung noch Arbeit haben. Über die Servicearbeit, die Mithilfe in der Küche oder anfallende Büroarbeiten werden sie fit fürs Berufsleben gemacht.
Noch vor ein paar Monaten hätte niemand und nichts Angela und Tamara dazu bewegen können, morgens aufzustehen. "Erst seit ich hier bin, komme ich gut aus dem Bett", sagt Angela. Schließlich könne sie ihr Team und die Gäste nicht im Stich lassen. Ihr Bewerbungsfoto ziert - wie das aller 14 Teilnehmer - als gerahmtes Porträt eine Wand im Café. Auf die Gäste zuzugehen habe sie gerade am Anfang Überwindung gekostet, sagt Tamara. Mittlerweile habe ihr der Umgang mit den Kunden mehr Selbstvertrauen beschert. Der Arbeitsvermittler vom Jobcenter, Norbert Ferring, lobt: "Die Maßnahme läuft toll." Das schreibt er zum einen der Situation zu, dass die jungen Leute unter realen Bedingungen sinnvolle Arbeiten leisten und zum anderen der Leiterin. "Es muss viel geleistet werden, um die Teilnehmer marktfähig zu machen", meint Ferring.
"Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt", sagt Café-Leiterin Ingrid Schmitt. Eine Basisaufgabe sei, lähmende Probleme - von Süchten bis hin zu psychischen Handicaps - zu beseitigen, die Teilnehmer aufzubauen und sie zu stärken. Das Café Bär gebe ihnen Struktur im Alltag.
Und welche Rolle spielt das Café für den Stadtteil? "Es ist ein Treffpunkt, der sehr gut angenommen wird", sagt Ortsvorsteher Horst Erasmy. Außerdem sei das Café über den Stadtteil hinaus bekannt. Dadurch werde der Name Trier-West ein Stück mehr ins positive Licht gerückt. Karin Becker, Anneliese Graf und Charlotte Karthäuser-Austgen lieben das Café. Bevor sie gehen, plauschen sie noch kurz mit Ingrid Schmitt, loben das gute Essen und verabschieden sich - bis zum nächsten Tag.Extra

Das Café Bär ist Teil des Projekts "Job-in-West", einer überwiegend vom Jobcenter finanzierten Maßnahme mit zwei Einsatzstellen: Die Caritas kümmert sich darum, dass die jungen Leute im Café eine Ausbildung im hauswirtschaftlichen, gastronomischen oder kaufmännischen Bereich erhalten, das Jugendhilfezentrum Don Bosco Helenenberg bringt jungen Arbeitslosen bei, mit Metall, Farbe und Holz zu arbeiten. kat

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