Leuchtturm gesucht

TRIER. Schonungslose Aussprache: In aller Abgeschiedenheit will die Trierer CDU am kommenden Samstag bei einer Klausurtagung in Horath (Hunsrück) das Debakel der verlorenen OB-Wahl aufarbeiten. Dabei sollen inhaltliche und personelle Weichen für die Kommunalwahl 2009 gestellt werden.

Wenn eine 60-jährige Vorherrschaft so endet wie das Rennen um den Chefsessel im Trierer Rathaus, das CDU-Kandidat Ulrich Holkenbrink (50) mit nur 33,1 Prozent der Stimmen haushoch gegen den unabhängigen Bewerber Klaus Jensen (54) verlor, dann muss das einer Partei Anlass zur Reflektion und Selbstkritik geben. Einer hat das schon einen Tag nach dem Desaster erkannt: "Wir sind richtig abgewatscht worden", sagte Berti Adams (53), Vorsitzender der Stadtratsfraktion. Doch diese Erkenntnis hat sich offenbar in der Union noch nicht durchgesetzt. Viele gehen davon aus, es handele sich um einen "Betriebsunfall", die Reparatur sei nur Formsache. Dabei sind die Trierer Christdemokraten mit ihrem politischen Profil und ihrem Personaltableau derzeit so weit von einem Wahlsieg entfernt wie die Erde vom Mond. Während die SPD nach der verlorenen Kommunalwahl 2004 Malu Dreyer und Klaus Jensen als Galionsfiguren gewann und Erfolge feierte, klafft bei der CDU nach dem trostlosen Abgang von Ex-Landeschef Christoph Böhr (52) und dem bevorstehenden Ausscheiden des langjährigen OB Helmut Schröer (63) eine gewaltige Lücke. Not täte ein neuer "Leuchtturm", um künftig Wahlen zu gewinnen. Wer sich auf die Suche nach hoffnungsvollen Kräften in der CDU begibt, erlebt eine Enttäuschung. Bürgermeister Georg Bernarding (52), der schon in den eigenen Reihen als OB-Kandidat scheiterte, kann ebenso wenig zum Hoffnungsträger werden wie Parteichef Ulrich Holkenbrink. Dessen politische Karriere ist nach dem Wahldesaster beendet, noch ehe sie richtig begonnen hat. Denn die Union hat Wahlverlierern noch nie verzeihen können. In der Stadtratsfraktion sieht es nicht besser aus. Die Zeit von Männern wie dem stellvertretenden Fraktionschef Gilbert Felten (70) ist abgelaufen. Persönlichkeiten wie Notar Ulrich Dempfle (46), Banker Jürgen Plunien (48) oder Wirtschaftsinformatiker Karl Biegel (49), die im Stadtrat durch geistreiche Redebeiträge ihr Potenzial angedeutet haben, stehen aus beruflichen Gründen vermutlich nicht für größere Aufgaben zur Verfügung. Staatsanwalt Thomas Albrecht (50), ebenfalls stellvertretender Fraktionschef, hat durch sein "Wadenbeißertum" während des OB-Wahlkampfes Sympathien bei den Bürgern verspielt. Fraktionschef Berti Adams gilt als Strippenzieher, doch mangelt es ihm an rhetorischen Fähigkeiten. Außerdem hat er alle Hände voll damit zu tun, die Truppe hinter sich zu scharen. Durchaus möglich, dass Adams nach der Klausurtagung kein Fraktionschef mehr sein wird. Jedenfalls hat er angekündigt, seinen Posten zur Verfügung zu stellen. Nicht nur personell, sondern auch inhaltlich werden die Christdemokraten mit Blick auf 2009 einiges verändern müssen. So hat man lange genug OB Schröer und die eigenen Dezernenten im Stadtvorstand allzu sorglos gewähren lassen, anstatt sich (öffentlich) kritisch mit ihnen auseinander zu setzen. Viele in Trier nehmen die CDU-Stadtratsmitglieder infolgedessen nur als "Abnicker" wahr, die mit eigenen politischen Ansichten und Ideen regelmäßig an der Verwaltungsspitze scheitern. Grund genug zur Kritik an Schröer, Bernarding, Holkenbrink und Christiane Horsch (45), deren Tage als Wirtschaftsdezernentin gezählt sind, hat es wahrlich gegeben. Man denke nur an die "Parkhaus-Affäre", die gbt-Krise, die "kreative" Kämmerer-Entlohnung, das Südbad-Durcheinander, den Niedergang der Antikenfestspiele oder das Gezerre um den Handwerkerpark. Und so ist die Wahlschlappe Holkenbrinks auch ein kräftiger Denkzettel der Bürger für die Fehler des Rathauses. In wichtigen Bereichen hat die CDU die Zeichen der Zeit nicht erkannt, zum Beispiel beim Thema Radfahren. Noch immer wird stets dem Auto Vorfahrt gewährt, obwohl sich offensichtlich eine Mehrheit in der Bevölkerung bessere Radwege wünscht, die auch zur Stärkung des Tourismus' sinnvoll wären. Fatal wäre es, wenn sich in der Union jene durchsetzen würden, die nichts anderes im Sinn haben, als dem künftigen Oberbürgermeister Steine in den Weg zu legen. Die Christdemokraten sind angesichts der satten Mehrheit, die Klaus Jensen gewählt hat, gut beraten, konstruktiv mit dem Ex-Staatssekretär zum Wohle der Stadt zusammenzuarbeiten. Unter Fußballern ist häufig vom "Geist von Spiez" die Rede, der die deutsche Nationalelf zum WM-Titel 1954 geführt haben soll. Ob die Trierer CDU sich daran ein Beispiel nimmt und künftig vom "Geist von Horath" beflügelt wird? Fotos: Roland Morgen (6), Friedemann Vetter (2), dpa (1), Willi Speicher/Archiv (1), Helmut Gassen/Archiv (1)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort