Liebe stärker als Stacheldraht

TRIER. Ihre Liebe begann unter einem Stacheldrahtzaun im Konzentrationslager Ludwigsdorf bei Breslau, bevor sie voneinander getrennt wurden. Trotz der Kriegswirren glaubten Esther und Esriel Schwebel an ihre Liebe und eine gemeinsame, glückliche Zukunft. Nachdem sie sich wiedergefunden hatten, heirateten sie im September 1945. In diesem Jahr feiern sie Diamantene Hochzeit.

Blicke, die sich immer öfter treffen. Manchmal ein Gespräch, aber nicht die geringste Möglichkeit, sich einmal zu berühren. Aber "es war Liebe unterm Stacheldraht", lächelt Esriel Schwebel und erzählt aus der Zeit im Konzentrationslager Ludwigsdorf im Jahr 1941.Seit 60 Jahren verheiratet

Dort hatten sich der gebürtige Oberschlesier und seine jüdische Frau Esther kennen- und lieben gelernt. Dass die beiden mittlerweile 60 Jahre verheiratet sind, ist keine Selbstverständlichkeit. Esriel Schwebel sitzt auf der Terrasse seines Hauses in Trier und blättert mit leuchtenden Augen in einem erstaunlich gut erhaltenen, erinnerungsträchtigen Tagebuch aus den Kriegsjahren. Neben zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotografien sieht man Einträge von KZ-Mithäftlingen in den verschiedensten Sprachen. "Wir hatten Kontakt, solange es ging, aber dann wurden wir getrennt. Aber ich wusste, dass sie in Ludwigsdorf sein muss", beschreibt der heute 81-Jährige den festen Glauben an ein Wiedersehen mit seiner damaligen Freundin. Zu Fuß hatte sich der damals 20-Jährige nach dem Krieg von seiner letzten Lagerstation Waldenburg auf die Suche nach ihr gemacht. Tatsächlich traf Schwebel unterwegs auf eine alte Bekannte, die ihm versicherte: "Deine Frau sucht dich." Nachdem er unter den Strapazen seines Fußmarsches im damaligen Langbielau ärztlich behandelt werden musste, war es schließlich seine Frau, die ihn ihrerseits "gesucht und gefunden hatte", erzählt Esther Schwebel. Am 2. September 1945 heiratete das junge Paar und ein Jahr später kam der erste Sohn Josef zur Welt. Obwohl die junge Familie es rasch geschafft hatte, mit einem eigenen Lebensmittelgeschäft finanziell auf die Beine zu kommen, flüchteten sie 1950 in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem mittlerweile kommunistischen Polen nach Israel. "Wir waren wochenlang unterwegs. Das war schrecklich. Wir haben uns geplagt mit unserem kleinen Kind und hatten oft nichts zu essen und zu trinken", erinnert sich seine 82-jährige Frau. Zehn Jahre lebten und arbeiteten sie dort. "Komm uns besuchen", hatte Esriel Schwebels Schwester dann im April 1960 zu ihrem Bruder gesagt und lud ihn zu sich ins schwäbische Heilbronn ein.Über Bitburg nach Trier gekommen

Nachdem Schwebel der Einladung gefolgt war, beschloss er die Zukunft für sich und seine Familie in Deutschland. Durch seinen Schwager fand Esriel Schwebel in Bitburg Arbeit in einer Gaststätte und machte sich schließlich 1962 in Trier als Gastronom selbständig. Seither ist das jüdische Ehepaar hier sesshaft und hat sich vor allem um die "Jüdische Kultusgemeinde" verdient gemacht, die nach mageren Anfangsjahren heute wieder stolze 460 Mitglieder zählt. "Viel Arbeit, Kraft und Zeit" steckten Esriel und Esther Schwebel vor allem in die Totenbestattung. Da die traditionsbewussten, gläubigen Juden zu ihrem Hochzeitstag keine Geschenke wollten, hat ihnen die Gemeinde zehn Bäume im "Wald der deutschen Länder" in der Negev Wüste gepflanzt, um Israel auf diese Art und Weise weiter zu begrünen. Außerdem spendeten sie ihre Geldgeschenke an den "Roten Davidstern". Immer wieder würde das Paar, das im Laufe seiner langen Ehe auch den Tod des erstgeborenen Sohnes verkraften musste und "viel mitgemacht" hat, wie Esther Schwebel bilanziert, nach Trier ziehen, "denn hier", sagt sie, "haben uns die Leute gleich akzeptiert".

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