Lieber in den Knast als zum Sozialamt

Wegen Dutzender Einbrüche auf Campingplätzen an der Mosel und anderswo hat das Trie rer Landgericht einen 71-Jährigen zu einer sechseinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Der wohnsitzlose Senior saß fast sein halbes Leben hinter Gittern.

Trier. Bernd J. ist ein höflicher, älterer Herr. Als der Vorsitzende Richter dem 71-Jährigen kurz vor der Urteilsberatung das "letzte Wort" erteilt, steht der gebürtige Sauerländer artig auf und bedankt sich bei allen Prozessbeteiligten: "Es ist alles korrekt gelaufen hier", sagt er, "ich bin nicht benachteiligt worden." Bernd J. weiß, wovon er spricht, er ist eine Art Experte für Strafrechtsprozesse, präziser gesagt für Diebstähle. Es gibt wohl in Deutschland nicht viele seiner Profession, die eigentlich längst im Renten-Alter sind und sich immer noch nicht zur Ruhe gesetzt haben. Bernd J. macht zwischendurch höchstens einmal Pause. So wie derzeit. Da sitzt der demnächst 72-Jährige eine Gefängnisstrafe im nordhessischen Schwalmstadt ab. Wegen Diebstahls.

Bernd J. hat im Laufe seiner Karriere schon viele Knäste von innen gesehen. Rund drei Jahrzehnte hat der passionierte Einbrecher bislang hinter Gittern verbracht, seit er Mitte der 60er Jahre das erste Mal auf die schiefe Bahn geriet. Und seitdem immer wieder. "Ich will das nicht", sagt der Einbrecher-Senior, "aber ich weiß auch nicht, warum ich das immer mache."

Bernd J. ist kein Schwerverbrecher, niemand, der anderen den Schädel einschlägt, um an ihr Hab und Gut zu kommen. Der wohnsitzlose Tippelbruder ist eher ein "Knacki" der alten Schule: Nur mit einem Schraubenzieher bewaffnet, bricht er vorzugsweise in Wohnwagen oder Vorzelte ein, wenn die Camper nicht da sind. Seine Beute: hier ein Unterhemd, da ein Paar Strümpfe, dort eine Flasche Bier oder eine Dose Würstchen. Geld, wenn denn welches da ist, nimmt Bernd J. auch, ab und an auch mal ein Fahrrad. "Aber niemals einen Fernseher oder ein Radio - was soll ich damit?", sagt der Angeklagte auf die Frage von Staatsanwalt Günther Herold.

Lebensmittel jeder Art und Kleidung - das sind die Dinge, auf die es Bernd J. seit Jahrzehnten abgesehen hat. Einmal, erzählt er dem Vorsitzenden Richter Armin Hardt, habe er aus lauter Hunger ein Kaninchen gestohlen, das arme Tier an Ort und Stelle ins Jenseits befördert und es anschließend ausgenommen und gebraten. Der 71-Jährige schüttelt den Kopf, als der Richter ihn fragt, ob er jemals finanzielle Unterstützung vom Staat bekommen habe. "Er ist noch ein Landstreicher vom alten Schlag", sagt seine Verteidigerin Anne Bosch, "der geht lieber in den Knast als zum Sozialamt."

In Schwalmstadt sitzt Bernd J. im sogenannten Kornhaus, dem Alten-Vollzug. Die Türen der Zellen werden nur abends zugesperrt, der Einbrecher-Senior ist hier eine Art Hausmeister, der sich um alles kümmert, was anfällt. Bis Bernd J. zum x-ten Mal in die Freiheit entlassen wird, ist er 77, mit etwas Glück ein, zwei Jahre jünger. Für "Brüche" dürfte er dann endgültig zu alt sein.

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