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Nachdem im Rahmen der Ausstellung "Antisemitismus in der DDR" bereits Vorträge zum Phänomen in der Sowjetunion und der DDR gehalten wurden, machte der Trierer Historiker Johannes Platz mit seinem jüngsten Vortrag in der Volkshochschule den Schritt in die Gegenwart. In einer Diskussion wurde sein Referat teilweise heftig kritisiert.

Trier. (fgg) Johannes Platz' Vortrag mit dem Bandwurmtitel "Antisemitismus von links, Antiamerikanismus, verkürzte Kapitalismuskritik und Antizionismus in der Antiglobalisierungsbewegung" wurde von etwa 50 Zuhörern in der Volkshochschule am Domfreihof verfolgt und anschließend heftig diskutiert.

Zunächst definierte der Trierer Historiker den klassischen Antisemitismus, kam aber danach besonders auf ein jüngeres Phänomen, den "sekundären Antisemitismus", zu sprechen: Dieser sei nach Auschwitz zur "Schuld- und Erinnerungsabwehr" entstanden. Da es den Juden übelgenommen werde, Opfer geworden zu sein, werde diese Tatsache negiert, letztlich sogar den Juden eine Täterrolle zugeschoben. In Folge werde dann auch Israel attackiert, das die "souverän gewordene Gemeinschaft der Holocaust-Überlebenden" darstelle.

Natürlich sei nicht jede Kritik an Israel antisemitisch: Doch wenn man das Existenzrecht Israels negiere, das staatliche Handeln des Landes anders bewerte als gleiche Taten anderer Nationen und dem jüdischen Staat schlicht kollektiv negative Wesensmerkmale zuschreibe, sei das eben antisemitisch.

Alte Zerrbilder neu in Szene gesetzt



In einer Diaschau versuchte der Historiker aufzuzeigen, dass auch in der sich links verortenden "Antiglobalisierungsbewegung" antisemitische Stereotype präsent seien: Auf Fotos von Demonstrationen werde das "personifizierte Kapital" in einer Weise dargestellt, die deutlich an "Stürmer"-Karikaturen erinnere: Wenn der Kapitalist als dicker Smokingträger mit Knollennase dargestellt werde, müsse man "den Juden" nicht einmal explizit aussprechen, so Platz - das alte Zerrbild werde auch so verstanden.

Auch die in der Kritik gegen Beteiligungsgesellschaften gezogenen Insektenvergleiche empfand Platz als skandalös: Ein Bild zeigte Oskar Lanfontaine (Die Linke) bei einer Rede - hinter ihm ein Plakat, auf dem eine Sprühdose eine Heuschrecke einnebelt, mit der Aufschrift "Gegen Börsen-Ungeziefer". In einem Land, in dem Millionen Menschen mittels eines Insektenvernichtungsmittels ermordet wurden, sei dieser Vergleich unerträglich.

Auch das berüchtigte IG-Metall-Magazin, auf dem eine grinsende Stechmücke mit Anzug und Stars-and-Stripes-Zylinder "gute, deutsche Firmen" aussaugt, wurde zum Beleg dafür herangezogen, mit welcher Offenheit in sich links sehenden Kreisen antisemitische Positionen vertreten würden.

An den Vortrag schloss sich eine lebhafte Diskussion an: Viele Zuhörer zeigten sich entsetzt, einer kritisierte den Vortrag als wenig erhellend, zudem seien die Bilder aus ihrem Zusammenhang gerissen und sprächen keinesfalls für die globalisierungskritischen Bewegungen insgesamt.

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