Männliche Waschweiber in Frauen-freier Zone

TRIER. Eine skurrile Vereinigung feiert "Dienstjubiläum": Seit 25 Jahren kommt die Stammtisch-Runde "Trierer Dom(m)schwätzer" an jedem zweiten Montag im Monat zusammen. Das lustige Quintett geht mit Elan und Ausdauer an das zweite Vierteljahrhundert angewandter "Dom(m)schwätzerei".

Frühjahr 1980. Helmut Schmidt ist Bundeskanzler, Eintracht Trier spielt in der Zweiten Fußball-Bundesliga Süd, Cattenom ist noch weit weg, und John Lennon lebt. Also fast alles im Lot, nur für Hans-Peter Haag (heute 55) und Jürgen Weisgerber (61) noch nicht ganz. "Wir beide hatten uns durch den Kindergarten kennen gelernt, den unser jeweiliger Nachwuchs besuchte", erinnert sich Haag und ergänzt mit bedeutungsschwangerem Unterton und bierernster Miene: "Wir verspürten dieselbe trierische Wellenlänge und das Bedürfnis, unsere tiefschürfenden Gespräche bei labenden Getränken zu führen."Pflichtlektüre Trierischer Volksfreund

Und was tun "gut katholische Trierer" (Weisgerber) in solchen Situationen? Sie gründen einen Stammtisch. Erste Großtat: die Namensfindung. Man entschied sich für "Trierer Dom(m)schwätzer", eine Bezeichnung, die mehrere Fliegen mit einer Klappe schlägt. Gruppendynamische Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Mit Hans Kreber (60), Peter Wallner (59) und Gerd Schäfer (53) fanden sich Mitstreiter, die auch ein Vierteljahrhundert später noch bei der Stange sind, oder besser gesagt: bei der Fahne. Denn vom hehren inhaltlichen Anspruch der illustren Runde kündet der Wimpel, den einst der legendäre Hochstetter-Dekorateur Paul Trapp entwarf und der im Fachgeschäft Lonquich Realität wurde. Motiv: zwei Waschweiber vor der Kulisse des Trierer Doms in Aktion. Allerdings spiegelt das Idyll auf dem Wimpel nicht das strenge Reglement wider, das in den Anfangstagen herrschte. Die Satzung des "n. e. V." (nicht eingetragener Verein) stellte Verstöße wie zu spätes Erscheinen oder Fernbleiben von der monatlichen Versammlung unter empfindliche finanzielle Bußen. So ließ sich die 2000er Jahres-Tour nach Mallorca locker aus der prall gefüllten Clubkasse bezahlen. Der wahre Grund aber, warum Präsident Wallner meistens vollzählige Anwesenheit feststellen darf, liegt im hohen Unterhaltungswert der Zusammenkünfte: "Bei uns gibt es an einem Abend mehr zu lachen als in manchem Quartal öffentlich-rechtlicher Fersehunterhaltung." Nicht zu vergessen der Genusswert. Dem Satzungs-Paragraphen "Der Stammtisch ist befugt, Dom(m) zu schwätzen, zu trinken und zu essen soviel er will und wie es ihm gefällt" frönt das Quintett mit Inbrunst: "Wir sind gewissermaßen eine Art kulinarisch-philosophische Selbsthilfegruppe". Und das anfangs als "Wanderzirkus". Das erste Domizil war anno 1980 das "Bavaria" in der Fahrstraße. Es folgten "Handelshof", "Kiste", "Altes Brauhaus" und "Hopfengarten". Seit knapp zehn Jahren dient die Gaststätte "Fischers Maathes" (Weberbach) als Hort der lokalpatriotischen Geselligkeit.Wunsch-Gast Bischof Marx

Lieblings-Gesprächsthema? "Ganz klar das Stadtgeschehen. Von Politik bis Kirche, von Kultur bis Sport", erläutert Schriftführer Gerd Schäfer. "Der Trierische Volksfreund ist selbstverständlich unentbehrliche Pflichtlektüre." Auch Stammtische kommen in die Jahre. "Früher", sinniert Hans Kreber, "da haben wir gerne Ordnungsamt gespielt und getestet, ob unsere Gaststätte auch wirklich um 3 Uhr schließt." Heuer verabschiedet man sich zeitiger voneinander, und der Viezporzen-Inhalt besteht zu einem hohen Anteil aus "Sprudel". In einem Punkt allerdings herrscht eiserne Disziplin: Läster-Schwestern sind nicht zugelassen. Da bleiben die Männer, die sich selbst des Waschweibertums bezichtigen, kompromisslos und unter sich. "Selbst ein Volksbegehren könnte uns nicht dazu veranlassen, in diesem Punkt die Satzung zu ändern", versichert Alterspräsident Weisgerber. Weibliche Stammtischler würden, da sind sich die fünf Herren einig, die bislang stets ungetrübte Harmonie in ihrer Runde beeinträchtigen. Einen bestimmten Gast freilich würde man gerne mal in eigenen Reihen begrüßen: "Bischof Reinhard Marx - ein ausgesprochener Wunschkandidat." Beim nächsten Stammtisch (11. Juli) wollen die "Dom(m)schwätzer" auch darüber diskutieren, was zeitlich eher machbar ist: Die Bischofs-Visite in ihrer Runde - oder der Eintracht-Wiederaufstieg.

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