Mal was Nettes sagen

TRIER. Männer, die miteinander tanzen, ihren Groll einem Kissen anvertrauen, oder die – an den Händen gefasst im Kreis stehend – einander sagen, was ihnen an den anderen gefällt: Was manchem eigentümlich oder ungewohnt vorkommen mag, ist für viele Männer der Weg zu einem bewussten, besseren Leben.

Männer-Radikal-Therapie. Das klingt hart, zackig und unerbittlich. Doch die Sitzungen der beiden Trierer MRT-Gruppen sind alles andere: Mit Verständnis, Zuhören und Gefühl wollen die Männer zwischen 25 und 58 Jahren dem wahren, bewussten Leben näher kommen.Konzept stammt aus den Niederlanden

Das Konzept der wöchentlichen Sitzungen stammt aus den Niederlanden: Ein Ingenieur und ein Journalist gründeten dort in den 70er-Jahren die erste MRT-Gruppe und fassten ihre Prinzipien in einem Leitfaden zusammen. Über Studentenkreise gelangte der zunächst nach Berlin, von dort in alle Teile Deutschlands und 1992 auch nach Trier. "Wir bedienen uns verschiedener psychotherapeutischer Methoden", erklärt Horst, Trierer Gründungsmitglied. Die wöchentlichen Treffen finden nach einem festen Schema statt. Begonnen wird mit dem "Blitzlicht": Jeder schildert der Runde seine momentane Befindlichkeit. Punkt Zwei heißt "Gutes und Neues", bei dem die Männer von den positiven Entwicklungen in ihrem Leben erzählen, um dann optimistisch gestimmt "an die Arbeit" gehen zu können. Übungen stehen am Anfang der Arbeitsphase: Massagen, Rangeleien, Malen, Assoziations-Spiele, autogenes Training oder etwa ein Fühlparcours sollen "Hintergrundprozesse" anstoßen und eigene Probleme begreifbar machen. Weiter geht es mit dem Aufarbeiten der Probleme im Zwiegespräch: "Die Themen sind vielfältig. Es kann darum gehen, ob der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um mit der Partnerin eine Familie zu gründen, um Sexualität oder Trauer", erklärt der 46-jährige Herbert. Oberste Prinzipien der Radikal-Therapie: Sie ist kostenlos und es gibt keinen Therapeuten, der sagt, wie bei welchem Problem zu handeln ist. Jeder muss seine Themen aus sich heraus angehen. "Wir geben uns keine Tipps untereinander", erklärt Horst, "jeder weiß selbst, was für ihn am besten ist." Diese Technik sei auch in der Psychotherapie bekannt. "Aber für schwerwiegende, psychologische Probleme eignet sich unser Konzept nicht", betont Herbert. "Es geht vielmehr um psychologische Hygiene: Bevor ein Thema so virulent wird, dass man eventuell professionelle Hilfe braucht, bearbeiten wir es hier." Tatsächlich seien die Gruppensitzungen echte Arbeit: "Es ist mühevoll und anstrengend, sich seinen Problemen zu stellen. Sie zu ignorieren und nicht aufzuarbeiten, wäre viel einfacher." Auf die Arbeitsphase folgt die "Gespinste"-Runde, bei der es darum geht, seine Wahrnehmung mit der Realität abzugleichen. Eine wichtige Übung für den 40 Jahre alten Manfred: "Ich hatte große Kommunikationsprobleme, besonders im Beruf. Durch die Gruppe habe ich gelernt, mich mehr auf meine persönliche Wahrnehmung zu verlassen und fühle mich viel sicherer." In der anschließenden "Grollrunde" geht es um die Beziehung zwischen den Gruppenmitgliedern: "Stört jemanden etwas an einem anderen, spricht er seinen Groll auf ein Kissen. Der andere nimmt sich davon dann das, was er annehmen kann", erklärt Horst und lacht: "Das hört sich kompliziert an, klappt aber hervorragend!" Die "Schmuserunde" schließt die Sitzung ab. Die Männer fassen sich an den Händen und sagen sich gegenseitig, was ihnen am anderen gut gefällt. "Es ist nicht üblich, dass Männer sich etwas Nettes über ihr Aussehen oder ihre Verhaltensweisen sagen", erklärt Herbert, "aber hat man das einmal gelernt, ist es ein sehr gutes Gefühl." Dass MRT ihre Leben bereichert hat, darin sind sich Herbert, Horst und Manfred einig. "Ich profitiere oft davon im beruflichen und im Familienleben", sagt Herbert. Ob sie durch die Gruppensitzungen ein wirklich gutes Leben führen, scheint eine schwierigere Frage zu sein. "Erkenntnis macht ja nicht automatisch glücklich", sagt Horst. Neben der MRT-Gruppe hat sich in Trier auch eine Frauen-Radikal-Therapie-Gruppe etabliert. Die MRT-Gruppen laden Interessierte ein zu einem Infoabend am 27. März, 20 Uhr, Tufa, Wechselstraße 4-6, Workshopraum V, 2. Obergeschoss.

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