"Man kann nicht immer nur jammern"

Trier · Heute wählt der Stadtrat Triers neue Sozialdezernentin - Elvira Garbes ist die einzige übrige Kandidatin.

 Elvira Garbes ist einzige Kandidatin für die Bürgermeisterwahl am heutigen Montag. TV-Foto: Christiane Wolff

Elvira Garbes ist einzige Kandidatin für die Bürgermeisterwahl am heutigen Montag. TV-Foto: Christiane Wolff

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Trier Elvira Garbes und ihr Mann teilen sich am Frühstückstisch regelmäßig die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Sie den Wissenschaftsteil und das Feuilleton, er die Wirtschaft. Die Stellenanzeige, mit der die Stadt Trier Mitte August nach einer neuen Leitung für das Ressort Soziales gesucht hat, fiel denn auch zunächst ihm ins Auge. "Das wär' doch was für dich", habe er gesagt. Elvira Garbes schaute sich die Ausschreibung genauer an - und bewarb sich. Alle Stadtratsfraktionen - außer die UBT - haben sich für Garbes als Kandidatin für die Wahl am heutigen Montag entschieden. Dass sie Triers neue Bürgermeisterin wird, ist nur noch Formsache. Im Interview mit TV-Redakteurin Christiane Wolff erzählt die 61-Jährige, dass sie es für sinnvoll hält, bei der Betreuung von Kindern mehr als nur den Elternwillen zu berücksichtigen.
Sie stammen aus Wallenborn in der Nähe von Daun. Wie hat sich das Trier Ihrer Kindheit entwickelt?
Elvira Garbes: Die Altstadt ist fast noch, wie sie war - das ist noch das Trier, das ich kenne. Als künftige Sozialdezernentin, die auch den Wohnungsbau im Blick haben muss, fällt auf, dass die Stadt durch die Tallage sehr beengt ist. Ich glaube daher, dass man darüber nachdenken sollte, Neubauten in den wenigen Baulücken der City eine Etage höher zu bauen, um mehr Wohnraum zu schaffen. Denn einen Tod muss man angesichts der Wohnungsnot sterben: Wer nicht zu viele Flächen zubauen will, muss auf knappem Platz viel Wohnraum schaffen.
Wenn wir schon bei dem Thema sind: Was macht denn die eigene Wohnungssuche in Trier?
Garbes: Die läuft: Mein Neffe wohnt hier und zieht demnächst mit einem Freund zusammen. Dessen bisherige Wohnung in der Matthiasstraße könnte ich übergangsweise übernehmen. Mein Mann und ich haben uns aber auch schon oberhalb der Kaiserthermen ein Objekt angeschaut, das wir vielleicht kaufen wollen. Ich möchte sehr gerne fußläufig zu meinem künftigen Arbeitsplatz wohnen, weil ich nicht gerne Auto fahre.
Wird Ihr Mann denn mit nach Trier ziehen?
Garbes: Mein Mann hat noch maximal zwei Jahre bis zum Ruhestand. Ob er dann fest nach Trier zieht, wissen wir noch nicht. Meine Tochter wohnt in Köln mit den Enkelkindern, wir haben dort ein Haus. Aber ich will auf jeden Fall eine anständige Wohnung in Trier haben, so dass mein Mann dort auch zumindest dauerhaft zu Besuch sein kann. Ich werde definitiv nicht jedes Wochenende hin- und herreisen.
Sie sind früher Marathon gelaufen und joggen regelmäßig. Fühlen Sie sich fit für die achtjährige Amtszeit - an deren Ende Sie immerhin 70 Jahre alt sein werden?
Garbes: Auf jeden Fall! Ich bin kerngesund, ich hab' nie was, außer mal einen Schnupfen. Meine Amtsleiterstelle in Bornheim hätte ich noch bis zur Altersgrenze von 66 Jahren ausüben können. Weil ich mir aber ein Leben ohne Arbeit gar nicht vorstellen kann und ja auch noch kürzlich eine anspruchsvolle Ausbildung zum Systemcoach gemacht habe, hatte ich überlegt, mich nach meinem 66. Geburtstag als Coach selbstständig zu machen. Dann habe ich die Stellenanzeige hier aus Trier gesehen ...
Bei den Bewerbungsgesprächen haben Sie die bis dahin als Favoriten geltenden Kandidaten überflügelt. Womit haben Sie die Fraktionen überzeugt?
Garbes: Ich kann mir vorstellen, dass ich mit meinem fundierten Wissen gepunktet habe, und mit meiner wirklich fundierten Berufserfahrung. Trier wird immerhin die vierte Kommunalverwaltung sein, in der ich arbeite. Auch wenn jede Verwaltung etwas anders tickt, sind die Strukturen und vieles andere doch gleich. Ich weiß einfach, wie diese Dinge funktionieren. Vielleicht hat auch eine Rolle gespielt, dass ich drei Kinder großgezogen habe, immer gearbeitet und nebenbei einen Magisterstudiengang absolviert habe. Insgesamt war das kein Häkelkurs, da muss man belastbar sein, und da lernt man viel bei.
Ich wünsche mir jedenfalls, dass sich die Fraktionen aus diesen Gründen für mich entschieden haben. Klüngel war es jedenfalls nicht - mich hatte vorher ja wirklich niemand auf dem Schirm.
In den spezifischen Trierer Themen können Sie sich ja noch nicht auskennen. Aber manche Dinge sind universell. Zum Beispiel die Kita-Betreuung. Alle Trierer Stadtratsfraktionen, außer der AfD, wünschen sich eine Ausweitung der Kita-Öffnungszeiten. Was halten Sie davon?
Garbes: Zuerst muss man da eine Bedarfsanalyse machen und herausfinden, welche Bedarfe die Eltern tatsächlich wo haben. Und dann kann man entscheiden, welche Kita wie lange geöffnet haben sollte. Das muss ja nicht bei allen gleich sein. Ich kann mir auch vorstellen, dass Kitas sieben Tage die Woche aufhaben oder auch 24 Stunden. Aber es darf dabei nie nur darum gehen, was die Eltern wollen. Man muss immer und unbedingt das Wohl der Kinder im Blick haben. Ich habe selbst drei Kinder und immer gearbeitet und Betreuungsplätze gebraucht. Aber Kinder dürfen nicht 60 Stunden pro Woche in der Kita sein - da ist es durchaus auch Aufgabe der Stadt, regulierend einzugreifen und nicht zuzulassen, dass Kinder permanent in Einrichtungen beaufsichtigt werden.
Sie haben den Wunsch geäußert, dass das Schul- und Sportamt vom Baudezernat abgekoppelt und wieder dem Sozialdezernat zugeordnet wird. Gibt es da konkrete Pläne?
Garbes: Zumindest das Schulamt gehört für mich unbedingt zum Ressort Soziales. Ob und wann die Zuständigkeiten da tatsächlich nach meinem Amtsantritt geändert werden, weiß ich allerdings nicht. Ich hatte auch noch kein Gespräch mit Oberbürgermeister Wolfram Leibe - ich denke, das werden wir in den kommenden Wochen allerdings nachholen.
Trier hat mit 24 Grundschulen die höchste Grundschuldichte aller Städte in ganz Rheinland-Pfalz. Die amtierende Dezernentin Angelika Birk hatte bei ihrem Antritt vor acht Jahren angekündigt, die Zahl reduzieren zu wollen - das aber nicht durchgesetzt.
Garbes: Ich kann nachvollziehen, dass der politische Wille der Stadtratsfraktionen dahin geht, Grundschulen generell zu erhalten. Mit Schließungen macht man sich schließlich nicht beliebt. Aber der politische Wille, Finanzierbarkeit und pädagogische Sinnhaftigkeit sind drei völlig unterschiedliche Dinge. Wenn es der Stadt finanziell besser gehen soll, dann muss man auch bei so schmerzhaften Themen wie Schulschließungen möglicherweise mal ein Statement setzen.
Man kann nicht immer nur jammern, dass kein Geld da ist, und gleichzeitig immer alles erhalten wollen.
Was werden Sie als Erstes tun als frisch gewählte Bürgermeisterin und Sozialdezernentin von Trier?
Garbes: Mein Amt trete ich ja erst Mitte Februar 2018 an. Dann werde ich erst mal alle Amtsleiter und Amtsleiterinnen, alle Abteilungsleiter zu Gesprächen einladen, damit ich sie und sie mich kennenlernen können. Das ist schließlich das Wichtigste, dass man ins Gespräch kommt und weiß, welche Dinge anliegen, was erledigt werden muss.
Bis zu meinem Amtsantritt muss ich in den nächsten Wochen und Monaten aber natürlich auch meinen Ausstieg als Leiterin des Kinder- und Jugendamts in Bornheim vorbereiten, damit mein Nachfolger dort die Arbeit gut weiterführen kann. Aber ich werde mich natürlich auch schon um Trier kümmern. Dazu gehört auch, dass ich Amtsinhaberin Angelika Birk um ein Gespräch bitten werde, damit sie mich in die Themen einweiht. Und ich möchte natürlich auch mit Oberbürgermeister Leibe sprechen.
Die Sitzungen des Stadtrats habe ich schon im Internet live verfolgt, seit ich meine Bewerbung eingereicht habe - schließlich will ich auch da wissen, wie die Themen, Befindlichkeiten und Abläufe sind, damit ich gut gerüstet in meinen neuen Job starten kann.
Christiane WolffInterview Elvira GarbesExtra: LESEN, JOGGEN, PILGERN, IMKERN


Elvira Garbes, Mutter dreier Töchter und zweifache Oma, ist Mitglied bei den Grünen und arbeitet seit mehr als 30 Jahren in Kommunalverwaltungen. Zurzeit leitet die studierte Pädagogin und Soziologin das Amt für Kinder, Jugend und Schulen in Bornheim (Nordrhein-Westfalen). Als Hobby-Imkerin hegt und pflegt sie in ihrem Garten in Köln mehrere Bienenvölker. Die Katholikin bezeichnet sich als "nicht ungläubig", war schon 250 Kilometer auf dem Jakobsweg unterwegs und ist schon viermal mit der Matthiasbruderschaft Bornheim zu Fuß nach Trier gepilgert. "Der Weg entlang der Mosel ist toll, auch zum Joggen", sagt die passionierte Läuferin. In ihrer Freizeit liest Garbes gerne Fachliteratur.

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