"Man muss halber Kriminalist sein"

FEYEN-WEISMARK. Die Spuren der Geschichte in seiner Heimat hat Rudolf Gall ganz genau unter die Lupe genommen. Der 77-Jährige betreibt die Suche nach Vorfahren auch als Heimatforschung.

Der im Saar-Pfalz-Raum Geborene kommt als 13-Jähriger nach Trier. Die Stadt und ihre Region werden nicht nur zu seinem Zuhause, sondern seine Neugier auch durch ungelöste Rätsel der Vergangenheit auf die Probe stellen. Zunächst arbeitet Rudolf Gall als Amtsleiter bei der Stadtverwaltung und kümmert sich um den sozialen Wohnungsbau. 1984 wechselt er dann als Verwaltungsdirektor zum Stadttheater und lenkt die wirtschaftlichen Geschicke des Musentempels. Doch in seiner Freizeit entflieht er dem Büromief und erkundet Trier als freier Journalist. Es sind nicht so sehr die brandneuesten Geschehnisse, die ihn faszinieren. Sein Blick richtet sich in die Vergangenheit: Trinkwasser-Probleme und Haushaltsdefizite? Gall findet heraus, dass sich die Stadt mit diesen Problemen schon vor 100 Jahren herumplagte.Heimatforschung als Abenteuer

Als ihn 1970 eine schwere Krankheit zur Bettruhe verdammt, beginnt Rudolf Gall, seine Nase auch in seine eigene Familiengeschichte zu stecken. Wie lebte seine Familie vor 100 Jahren? Wer sind eigentlich seine Vorfahren? Diese Fragen lassen ihn nicht mehr los, bis er Licht ins Dunkel seiner Familiengeschichte gebracht hat. Doch die Erforschung der eigenen Familie ist erst der Anfang. Etwa 500 Stammbäume wird er noch erarbeiten und damit Anfragen von Leuten, die auch auf der Suche nach ihrer Familiengeschichte sind, beantworten. Der erste Gang führt Rudolf Gall stets in die Stadtbibliothek Weberbach. Dort durchforstet er die Bestände und begibt sich dann vor Ort, um die Häuser der Familie nach Inschriften absuchen. Am Ende durchforscht er in mühevoller und "kniffliger" Kleinarbeit die Kirchenbücher. Doch da diese Aufzeichnungen nur bis 1680 reichen, müssen Informationen über diese Zeit über sonstige Papiere aufgespürt werden. Dies ist Rudolf Galls Spezialgebiet. "Man muss ein halber Kriminalist sein", weiß der Familienforscher, der bis 2003 Vorsitzender der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde e.V. für den Regierungsbezirk Trier, war. Der heute 77-Jährige, der in der Cusanusstraße wohnt, gibt sich jedoch nicht zufrieden damit, einfach nur Namen und Lebensdaten zu erforschen. Ihm geht es darum, die Familie in die Geschichte zu stellen und das soziologische Umfeld wie den Wohnort und den Beruf herauszufinden. Familienforschung wurde für ihn so auch zu Heimatforschung. Auch unangenehme Vorkommnisse wie Gefängnisstrafen oder uneheliche Kinder der Vorfahren muss der nach seinen Wurzeln Suchende verkraften, hat Rudolf Gall erlebt. Auf diese Weise erforschte Gall die Fischer- und Schifferdörfer St. Barbara, Zurlauben und St. Medard in Trier. Ebenso veröffentlichte er zu den Scharfrichtern der Stadt Trier, den St. Mattheiser Besitzungen und über die Geschichte der Irscher Mühle. Forschen ist für ihn immer "ein Abenteuer", und es freut ihn besonders, wenn er durch seine Forschung "die Nullen von damals zu Personen der Geschichte machen" kann. Nicht den hochdekorierten Offizier rückt er in seinen zahlreichen Veröffentlichungen wieder ins Bewusstsein, sondern den einfachen Handwerker mit seinen Lebensumständen.Wenn Gall einem unbekannten Vorfahren auf der Spur ist, wird dieser Mensch oft vor seinem geistigen Auge lebendig. Dann kommt es vor, dass er ihnen im Traum begegnet.

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