Mehr als ein Souvenir

Alban Bergs Oper "Wozzeck" war das Trierer Theater-Ereignis des Jahres 2007 - vor allem dank der Mitwirkung von Franz Grundheber als Regisseur und Interpret. Ein Bildband des Trierer Fotografen Armin Lücke hält die Produktion für die Nachwelt fest, ist aber mehr als ein Erinnerungsstück.

Trier. Es war ungewöhnlich, in jeder Hinsicht: Eine moderne Oper des 20. Jahrhunderts, musikalisch sperrig, in Trier fast ein Jahrhundert lang ignoriert. Und dann waren die Vorstellungen ausverkauft, kamen mehr als 4000 begeisterte Besucher zu den Aufführungen und dem Rahmenprogramm.Gegenteil von lackierter Star-Fotografie

Armin Lückes im Trierer Matergloriosa-Verlag erschienener Bildband erlaubt es, das Theater-Erlebnis noch einmal nachzuvollziehen. Mehr noch: Er leistet auch die verdienstvolle Aufgabe, in den Texten von Katharina Hammermann kompakte Informationen rund um das Werk zu liefern und darüber hinaus den Künstler Grundheber auch jenseits von Wozzeck angemessen zu würdigen. Die meisten der 186 Seiten ist den großformatigen Bildern gewidmet. Wobei Armin Lückes Stil angesichts unserer medial geprägten Sehweisen durchaus gewöhnungsbedürftig ist. Die ausnahmslos analog fotografierten Bilder sind roh und unstilisiert, manchmal sehr grobkörnig, das Gegenteil von gefälliger, lackierter Star-Fotografie. Schon deshalb, weil sie völlig darauf verzichten, ihren Objekten auf die Pelle zu rücken.Völliger Verzicht auf Nahaufnahmen

Lücke zoomt nicht , er zeigt die Akteure in einer großen, meist dunklen Umgebung, oft zwergenhaft klein im Verhältnis zu dem düsteren Ambiente, in dem sie agieren. In der Zeitung würde man seine Fotos um mindestens 60 Prozent beschneiden, um sie optimal zu fokussieren. Aber die Ungemütlichkeit, das Ertrinken in einer unwirtlichen Umwelt, das einem aus Lückes Bildern entgegenstarrt, passt zu Wozzeck, dem Ausgestoßenen. Und manchmal hält eine Bilderstrecke auf unglaublich faszinierende Weise den Gang der Handlung, aber auch Grundhebers Darstellungskunst fest. Zum Beispiel, wenn sein zynischer Hauptmann ihm den (berechtigten) Verdacht einpflanzt, seine Freundin Marie betrüge ihn mit einem Tambour-Major. Da blitzt in einem winzigen Seitenblick Grundhebers der ganze tragische weitere Verlauf der Handlung auf, der in diesem Moment unaufhaltsam seinen Lauf nimmt. Es hat mehr als ein Jahr gedauert, das ambitionierte Projekt eines Wozzeck-Bildbandes tatsächlich in die Realität umzusetzen. Das Fotografieren selbst war dagegen eher ein zügiger Akt: Es gab nur einen einzigen gemeinsamen Termin für den Fotografen und seinen Hauptdarsteller, und auch der entstand eher spontan. Eigentlich stand die Hauptprobe mit dem Wozzeck-Darsteller Johannes Kösters auf der Agenda. "Dankenswerterweise haben dann alle Akteure noch eine Zusatz-Schicht eingelegt, damit wir die Aufnahmen machen konnten", erinnert sich Franz Grundheber.Offizielle Präsentation in Hamburg

In Hamburg, wo der Bariton Ehrenmitglied der Staatsoper ist, wurde der Bildband offiziell präsentiert, nächste Woche gibt es eine Präsentation in der Semper-Oper Dresden. 3Sat hat ihn in seine monatlichen Buchtipps aufgenommen. In Trier wird das Buch Ende des Monats vorgestellt, in einer nicht-öffentlichen Veranstaltung, zu der die Sparkasse als Sponsor des Projekts eingeladen hat. "Franz Grundheber und Wozzeck", 186 Seiten Paperback, Format 21,5x28, mit 73 Inszenierungsfotografien von Armin Lücke in Farbe und schwarzweiß. Libretto-Zitate, Partiturauszüge und Texte von Katharina Hammermann über Büchner, Berg, Grundheber und Lücke. Matergloriosa Verlag Trier, 24,95 Euro. Im Buchhandel erhältlich.

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