Mein Vater, der Zwangsarbeiter

Trier · Rosalia Jacquins Herz hängt an zwei Kulturen: Der Vater der Triererin stammt aus Polen. Von den Nazis verschleppt, war er jahrelang Zwangsarbeiter und starb einen frühen Unfalltod. Seit einigen Jahren ist Rosalia Jacquin auf Spurensuche und hat mehr und mehr Details über sein Schicksal herausgefunden.

 Seit Jahren bemüht sich Rosalia Jacquin, Licht in das Schicksal ihres Vaters zu bringen, der von den Nazis verschleppt wurde und früh starb. Ihre Gedanken und Gefühle verarbeitet sie in Gedichtbänden. TV-Foto: Dorothée Quaré

Seit Jahren bemüht sich Rosalia Jacquin, Licht in das Schicksal ihres Vaters zu bringen, der von den Nazis verschleppt wurde und früh starb. Ihre Gedanken und Gefühle verarbeitet sie in Gedichtbänden. TV-Foto: Dorothée Quaré

Trier. Im Herbst 2013, kurz vor Allerheiligen, ist Rosalia Jacquin - wenn sie es auch erst später erfuhr - ein großer Wunsch erfüllt worden. "Die polnische Konsulin Monika Trojan-Otwinowska und Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen haben auf dem Trierer Hauptfriedhof der polnischen Nachkriegsverstorbenen von Trier gedacht. Viele von ihnen wurden während des Zweiten Weltkriegs nach Trier verschleppt und waren hier Zwangsarbeiter", vermeldet der TV am 30. Oktober.

Menschen - ganz nah


Mehr als drei Jahre zuvor hatte Rosalia Jacquin bereits den schlechten Zustand des Gräberfelds für polnische Kriegsopfer moniert: Zeitweise waren einige der kleinen Steinkreuze vor dem Kreuz mit dem polnischen Adler fast unter Wildwuchs verschwunden. Bis vor rund 40 Jahren hatte sich hier auch das Grab ihres Vaters Piotr Wnuk befunden. Dieser hatte als ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter im Lager in Feyen gelebt und war dort umgekommen. Noch immer versucht die heute 62-Jährige, das Schicksal ihres Vaters zu klären. Hilfreich dabei waren die Recherchen im Rahmen der SWR-Fernsehsendung "Auf der Spur - Mein Vater, der Zwangsarbeiter", die 2009 ausgestrahlt wurde.
Wie Rosalia Jacquin herausfand, wurde ihr Vater 18-jährig aus seinem Heimatort Leszkowice bei Lublin von den Nazis verschleppt, um in der Pfalz als Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft eingesetzt zu werden. Von den Franzosen 1945 befreit, gelangte er nach einer Odyssee nach Trier, wo er bei der Arbeit im Weinberg eine junge Triererin kennenlernte - Rosalias Mutter. 1951 heirateten sie. Doch schon am 9. Oktober 1953 fand das junge Glück ein Ende: Piotr Wnuk wurde während Kanalbauarbeiten auf einer Panzerstraße in Feyen in einer tiefen Grube verschüttet und erstickte.
Rosalia Jacquin forschte nach. "Der Unternehmer hatte eigentlich Bauverbot in diesem Abschnitt", fand sie heraus. Unterlagen zum genauen Unfallhergang, etwa vom Bauamt, habe sie bis heute nicht bekommen können. "Aber meine Seele findet keine Ruhe", sagt sie.
Im Rahmen der SWR-Dreharbeiten reiste Rosalia Jacquin erstmals nach Polen, fand dort das Grab ihrer Großeltern und bekam Kontakt zu Verwandten. "Ich wurde sehr herzlich aufgenommen", erzählt sie. Es folgten weitere Reisen nach Polen, auch zu den früheren Konzentrationslagern der Nazis in Majdanek und Auschwitz. Mehr als 300 Trierer seien in Auschwitz ermordet worden, sagt Jacquin. "Ich finde es sehr wichtig, sich mit diesem Teil unserer Geschichte auseinanderzusetzen. Nur dann kann man daraus lernen."
Heute engagiert sie sich in der AG Frieden; bei Stolpersteinverlegungen in Trier ist sie ein regelmäßiger Gast: "Das Schicksal der jüdischen Bevölkerung, ebenso wie das meines Vaters, ist mir nie aus dem Kopf gegangen." DQ

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