Mekka für Cineasten

TRIER-NORD. Lange Zeit war die Nordstadt ein Dorado für Triers Cineasten - bis vor vier Jahren zwei von drei Kinos im Stadtteil dicht machten. Wirtschaftlich überleben konnte nur das Broadway, das im vergangenen Jahr rund 120 000 Besucher in die Paulinstraße lockte.

Verhunzte Fassade, verschmierte Wände, Müll im entglasten Schaukasten - beim Anblick des alten Atrium wähnt man sich vor einer ausrangierten Filmkulisse. Vor ziemlich genau einem halben Jahrhundert entstand das Gebäude, in dem Trierer Filmgeschichte geschrieben wurde. Bis vor vier Jahren die Lichter ausgingen. Seither gammelt das Anwesen vor sich hin, derweil der Hausbesitzer einen Käufer für seine Immobilie sucht. Wechselt das Anwesen seinen Besitzer, dürfte dort indes alles einziehen, nur kein neues Kino. Schließlich wurden gleich nach Schließung des Atrium vor vier Jahren mehr als 400 der schicken Klappsitze verhökert.Trier-Nord war Kino-Zentrum

Viele Jahre lang war die Nordstadt ein Dorado für Cineasten. Nachdem in den 80er Jahren das Capitol in der Brotstraße einem Dresdner Bank-Neubau weichen musste, Lichtspieltheater wie Metropol und Römertor längst aus der Innenstadt verschwunden waren und Ende 1997 auch die Flimmerkiste ihre Schotten dicht machte, führte für cineastische Zeitgenossen kein Weg an Trier-Nord vorbei. Vor allem das Atrium mit seinen rund 500 Plätzen lockte noch bis ins Jahr 2000 das Filmpublikum in die Maximinstraße. In der Paulinstraße erregte das Gloria mit seinem eher monothematischen Erwachsenenprogramm ein überwiegend männliches Publikum. Bis das Ein-Saal-Kino Ende der 80er Jahren umfirmierte und sich fortan Royal nannte: Nun wurden auch Streifen für jüngere Altersklassen geboten. Drei Jahre lang dominierte Trier-Nord mit seinen drei Kinos quasi das Filmgeschehen der ganzen Stadt. Und Dirk Ziesenhenne, der Atrium, Royal und das 1994 eröffnete Broadway in Personalunion führte, durfte sich gar als Leinwand-Monopolist fühlen. Bis vor vier Jahren das Multiplex-Kino Cinemaxx in der Innenstadt eröffnete und zunächst dem Atrium den wirtschaftlichen Garaus machte. Ziesenhenne plante zwar noch die Eröffnung eines One-Dollar-Kinos in den Atrium-Sälen, doch hätte sich das Vorhaben nie gerechnet. Für das Royal war das Ende programmiert, denn Ziesenhenne hatte vorgesorgt: Mit einer Art Multiplex-Klausel im Mietvertrag, der den Ausstieg besiegelte, sollte ein Mega-Kino wie das Cinemaxx tatsächlich in Trier eröffnen. Heute probt das Stadttheater im einstigen Royal. Seit vier Jahren konzentriert Dirk Ziesenhenne sich ausschließlich auf das Broadway in der Paulinstraße. In den fünf Kinosälen finden insgesamt 650 Zuschauer Platz. Nach schwierigen Jahren sieht der Kinochef sein Haus inzwischen auf gutem Wege, wenn er es auch zurückhaltender ausdrückt: "Mit spitzem Bleistift, aber überlebensfähig" beschreibt er die wirtschaftliche Situation des Broadway. Ziesenhenne setzt seit der Eröffnung des Cinemaxx auf eine Mixtur aus herkömmlichen Streifen und Programmkino. Mit dem Programmkino-Angebot will er sich bewusst von der Multiplex-Konkurrenz absetzen, wenn es "auch nicht ganz ohne Blockbuster geht". Ein Konzept, das offenbar gut funktioniert: Rund 120 000 Menschen pilgerten im vergangenen Jahr ins Broadway in der Paulinstraße. Immerhin viereinhalb feste Stellen und 22 Aushilfen beherbergt Ziesenhennes Filmtempel momentan. Dass er neue Projekte in petto haben könnte, schließt der Kinochef unterdessen aus. Allenfalls "in Nuancen" werde es Veränderungen im Broadway geben, versichert er.Morgen in "Trier - ganz nah": Guildo Horn alias Horst Köhler in seinem Heimatstadtteil Trier-Nord.

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