Meyers Gesamtwerk in 58 Stunden

TRIER. Fast zwei Jahre lang arbeitete Klauspeter Bungert an Hörbüchern mit dem Gesamtwerk von Conrad Ferdinand Meyer. In wenigen Wochen soll das anspruchsvolle Projekt abgeschlossen sein.

Klauspeter Bungert ist Perfektionist. Das hört man bei seinen Auftritten am Klavier und an der Orgel, das liest man in seinen Dramen und das sieht man an seinen chirurgisch sorgfältigen Schneidebewegungen, wenn man ihm beim Pizza-Essen gegenüber sitzt. So nimmt es nicht wunder, dass er bei dem Projekt, das ihm besonders am Herzen liegt, ebenfalls eine unglaubliche Akribie an den Tag legt. Seit knapp zwei Jahren arbeitet Bungert 70 Stunden in der Woche daran, sämtliche Werke von Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898) als Hörbücher zu produzieren. In zwei Monaten will er mit der Feinabstimmung fertig sein. Dann hat er fünf CDs mit 58 Stunden Material besprochen. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass der 52-jährige Musiker und Autor ein besonderes Faible für das Œuvre des Schweizer Schriftstellers hat. 1994 veröffentlichte Bungert mit "Die Felswand als Spiegel einer Entwicklung" eine psychologische Literaturstudie über Meyer. Seit vielen Jahren bietet er zudem im Haus Franziskus Literaturseminare über dessen Werke an. "Dramatische Gedanken- und Handlungsführung"

Eines dieser Seminare war es auch, das ihn auf die Idee mit den Hörbüchern brachte. Für Sehbehinderte in der Gruppe nahm er die damals behandelte Novelle auf CD auf. Was macht den Autor aus, dass man Tausende Stunden Arbeit für eine neue Form der Verbreitung seiner Texte investiert? "Interessant ist Meyer wegen seiner knappen, gedrängten, dramatischen Gedanken- und Handlungsführung", sagt Bungert. "Er lieferte handwerklich perfekte Arbeit, die bis in die Nebensilben reflektiert ist." Nicht nur in formalen Dingen treten hier Parallelen zwischen dem Schriftsteller und seinem Bewunderer zutage. Es besteht auch ein persönlicher Bezug. "Seine Lebensthemen sind sehr verwandt mit meinen eigenen Einstellungen." Mit einem Minidisc-Recorder zeichnete Bungert die Lyrik- und Prosa-Werke auf. Als Vorlage dienten ihm die Ausgaben letzter Hand, also die, die von Meyer autorisiert wurden. Am PC bearbeitet er die Texte und brennt sie im mp3-Format auf CDs. Da ihm kein professionelles Tonstudio zur Verfügung stand, nahm er alles in seiner Wohnung auf. Das Hauptproblem beim Abmischen seien aber weniger äußere Geräuscheinwirkungen gewesen, als Sprech- und Atemgeräusche. Zudem klinge die eigene Stimme je nach Tagesform und -zeit unterschiedlich, was hörbar gewesen sei, wenn er an einem noch nicht beendeten Text weiter las. Verbliebene Unstimmigkeiten sollen in den kommenden acht Wochen behoben sein. Beim ersten Hören wird einem der Vortrag ungewöhnlich und weniger künstlerisch denn künstlich erscheinen. Bungert liest recht langsam, überdeutlich und sehr prononciert. Nicht nur wegen seiner angenehmen Stimme gewöhnt man sich jedoch erstaunlich schnell daran. Zudem trägt seine Sprechtechnik und seine Artikulation sehr zum Verständnis des Inhalts bei. Das bestätigt auch die Urgroßnichte des Autors, mit der der Trierer seit einigen Monat in Kontakt steht. "Ich mag die Art sehr, wie er Meyer liest. Sehr transparent und Raum lassend, dass eigene Bilder entstehen können", sagt Clelia Meyer. "Es ist einfach total spannend, ihm zuzuhören." Damit die Aufnahmen nicht nur Meyers Verehrer zu Gehör bekommen, sondern einer größeren Öffentlichkeit zugänglich sind, sucht Bungert für den Vertrieb einen Verlag. Interessenten jeder Art können sich unter www.autoren-theater.de an den Künstler wenden.

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