Mit 160 Jahren fängt das Leben an

TRIER. Rachel Kazarnovskaja und Lew Korchevnij kamen vor zwölf Jahren als jüdische Emigranten aus Moskau nach Deutschland. In diesem Jahr konnten beide ihren 80. Geburtstag feiern. Das Doppeljubiläum verbrachten sie mit ihrer Familie und den Mitgliedern des deutsch-russisch-jüdischen Clubs "Interessante Begegnungen", den sie vor acht Jahren gründeten.

 Rachel Kazarnovskaja und Lew Korchevnij freuen sich über eine Bilderwand mit Fotos ihrer Freunde. Foto: Swetlana Rafalkes

Rachel Kazarnovskaja und Lew Korchevnij freuen sich über eine Bilderwand mit Fotos ihrer Freunde. Foto: Swetlana Rafalkes

Die Clubmitglieder waren diejenigen, die Rachel Kazarnovskaja und Lew Korchevnij dazu überredet hatten, das Datum von 160 Jahren zu feiern. Der Geburtstag wurde zusammen organisiert. Bis zu dieser fröhlichen Feier war es jedoch ein langer Weg. Zu Beginn der 90-er-Jahre war die politische Lage in der ehemaligen Sowjetunion instabil. Der wachsende Antisemitismus hatte die Eheleute Kazarnovskaja-Korchevnij zur schweren Entscheidung gebracht, im Sommer 1994 ihr Heimatland Russland zu verlassen. Mit 68 Jahren genießen die meisten bereits ihren Ruhestand. Bei Kazarnowskaja und Korchevnij, die in diesem Alter ihr Leben von Grund auf neu aufbauen sollten, war das Gegenteil der Fall. Ihre Tochter Swetlana zog gemeinsam mit ihrer Familie ebenso nach Trier. Das ältere Ehepaar betreute ihre Enkelkinder, um der Tochter den Einstieg ins neue berufliche Leben zu erleichtern. Diese Zeit ist mittlerweile jedoch längst Vergangenheit: Ihr Enkel Samir ist 21 Jahre alt und studiert an der Fachhochschule Trier. Ihre Enkelin Pamela ist 13 und besucht die siebte Klasse des Gymnasiums. Nur auf ihre Enkelkinder aufzupassen, war jedoch nicht das einzige Ziel von Rachel und Lew. "Wir wollten uns auch ein eigenes und erfülltes Leben in Deutschland aufbauen." erinnern sie sich. "Aus Altersgründen haben wir bei unserer Einreise keinen Sprachkurs bekommen," erzählt Rachel Kazarnovskaja "weswegen wir Deutsch zu Hause lernten, indem wir Lehrbücher und Zeitschriften lasen und Fernsehen guckten." Rachel Kazarnovskaja promovierte in Moskau im Fachbereich Chemie und ihr Ehemann Lew Korchevnij im Fachbereich Ingenieurwissenschaft. Die Mühen zahlten sich aus, denn mit Hilfe neu geknüpfter Kontakte konnten sie einen Treffpunkt für ältere Landsleute schaffen. "Wir wollten, dass sie sich genauso in Trier wohl fühlen und die Stadt mögen wie wir", sagt Ehemann Lew Korchevnij , der ein begeisterter Kenner Triers ist. Der ganze Jubiläumstrubel hatte sich gelohnt, denn es wurde ein tolles Fest, bei dem das Ehepaar viele herzliche Worte und Glückwunsche erhielt. In warmer sommerlicher Luft erklangen alte und neue deutsche, russische und jüdische Lieder, die der Clubchor zusammen mit anderen Gästen sang. Dazu gab es typische festliche Nationalgerichte: Verschiedene Gerichte aus Roter Beete als Vorspeise, Piroschki (kleine Hefeteilchen mit verschiedenen Füllungen) und natürlich der berühmte russische Wodka, der ebenso in kleinen Mengen genießbar ist, durfte neben einer reichhaltigen Auswahl anderer Speisen nicht fehlen. Die gebürtigen Moskauer, die nun zusammen 160 Jahre alt geworden sind und seit 33 Jahren in ihrer zweiten Ehe glücklich mit einander verheiratet sind, haben ihren Traum, auch in Deutschland ein aktives und erfülltes Leben zu führen, in Trier verwirklichen können.

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