Mit Clara Viebigs Enkelin durch Rio

Trier · Christel Aretz, Carla Schött und Magdalena Feiten haben Susanne Bial in Brasilien besucht. Sie trafen auf eine charismatische 92-Jährige, die sich selbst nicht so wichtig nimmt.

Es ist Herbst in Brasilien, die Sonne scheint bei angenehmen 27 Grad. Christel Aretz, Carla Schött und Magdalena Feiten sind gerade am Flughafen von Rio de Janeiro gelandet. Sie bewegen sich auf den Spuren der aus Trier stammenden Schriftstellerin Clara Viebig, deren Enkelin Susanne Bial sie besuchen (der TV berichtete).

"Wir wurden am Flughafen abgeholt und in die Stadt gefahren. Vor unserem Appartement im Stadtteil Ipanema wartete Susanne schon und begrüßte uns sehr herzlich", erzählt Aretz. Sie ist als ehemalige Inhaberin einer Buchhandlung Viebig-Expertin, steht seit Jahren in Kontakt zu Bial und hat die Reise mit ihren beiden Freundinnen initiiert.

Es begannen zwölf intensive Tage in Rio de Janeiro. Höhepunkte seien die Gespräche mit Bial gewesen. "Wir haben uns nicht gezielt hingesetzt, um unsere Fragen loszuwerden. Es hat sich immer ergeben, sei es bei ihr zu Hause oder in der Zahnradbahn zur Christus-Statue."

Magdalena Feiten kümmert sich selbst um eine syrische Familie und sieht dabei, wie schwer die Integration sein kann. Entsprechend berührt ist sie von Bials Geschichte (siehe Extra).

Für die Viebig-Enkelin habe es oberste Priorität gehabt, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder ihren Platz in der Fremde finden. Erst dann habe sie an sich gedacht. Feiten erzählt: "Susanne erklärte uns, dass man nach einer Flucht klein anfangen müsse. Ihre Familie war in Deutschland hoch angesehen, in Brasilien begannen sie ganz unten. Es ist beeindruckend zu sehen, wie sie heute wieder oben angekommen ist."

Mit knapp 50 Jahren machte Bial ihr Abitur nach und ließ sich zur Psychoanalytikerin ausbilden.
Aretz ergänzt: "Ich glaube, Bial fühlt als letzte in ihrer Familie eine Sehnsucht nach Deutschland. Ihre Nachfahren sind Brasilianer. Bis dieses Heimatgefühl in ihrer Familie angekommen war, sind zwei Generationen vergangen."
Carla Schött ist fasziniert, wie die inzwischen 92-Jährige ihr Leben in Rio meistert. Sie hat nicht nur die gesamte Reise organisiert, sondern behandelt immer noch einige Stammpatienten.

"Wenn Susanne in ihrem Therapeutenstuhl im Wohnzimmer sitzt, blitzen ihre Augen. Meine Eindrücke aus den vorhergehenden Telefonaten haben sich bestätigt: Sie ist eine taffe und charismatische Frau. Sie trug jeden Tag ein anderes Kleid in knallbunten Farben, und ihre Handtasche passte immer zu ihren Schuhen."

Wenn Susanne Bial etwas aus der Familie Viebig geerbt hat, sind es die Liebe zu Büchern und das Talent zu schreiben. Alle zwei Wochen treffe sie sich im Goethe-Institut zu einem Literaturkreis, um zuvor gelesene deutsche Romane zu besprechen. Zwei Bücher hat sie schon geschrieben. Anders als bei Viebig stehe für Bial jedoch ihre Familie an oberster Stelle. So schaue sie sich jedes Basketballspiel der Mannschaft an, die ihr Sohn trainiert.
Anders als es bei Bials ereignisreicher Geschichte zu erwarten ist, hänge sie nicht an der Vergangenheit. Sie habe sich über die vielen Fragen von Aretz, Schött und Feiten gewundert. Doch das mache sie so sympathisch, sagen die Triererinnen.Extra: SUSANNE BIALS GESCHICHTE

Susanne Bial wurde 1924 in Berlin als Enkelin der berühmten Schriftstellerin Clara Viebig geboren. Ihr Großvater Fritz Theodor Cohn war Jude. Daher flohen Bials Eltern 1934/35 nach Brasilien. Sie und ihr Bruder blieben vorerst bei ihrer Großmutter. Erst 1936 betraten sie ein Schiff nach Sao Paulo, wo ihre Eltern inzwischen eine kleine Buchhandlung führten. Für Bial sei die Reise ein großes Abenteuer gewesen - nichts Beängstigendes, denn es ging zu den Eltern. In Brasilien wähnten sie sich sicher, doch die nationalsozialistische Propaganda holte sie auch dort ein. Es durfte nicht auffallen, dass sie Deutsche waren. Dabei half, dass Bial schnell Portugiesisch lernte, während sie mit brasilianischen Kindern spielte. Heute lebt die 92-Jährige in Rio. Ihre Söhne sind in Brasilien bekannt, Pedro als Fernsehmoderator und Alberto als Basketballtrainer.

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