Mit Fantasie und allen Sinnen

TRIER. Kinder finden Zugang zu moderner Kunst über sinnliche Erfahrung. Das beweisen speziell auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen Führungen durch die Kunstausstellung "Stock über Stein" mit Klangobjekten von Bernd Bleffert in der Tuchfabrik Trier, die auf große Resonanz stoßen.

Mit verbundenen Augen sitzen Amelie, Fynn, Lily, Paula, Louis und Johannes auf dem Boden im Ausstellungsraum der Tufa. Ihre Gesichter verraten Konzentration. Weil sie nichts sehen können, lauschen sie angestrengt. Forschende Blicke

In die Stille des Raumes hinein klingt plötzlich eine Folge unterschiedlich hoher Töne. Das stumpfe "Klong" einer am Pendel schwingenden Holzkugel, die an Eisennägel stößt. Kunstwissenschaftlerin Christina Biundo, die die Fünf- bis Sechsjährigen aus der Kita "Spatzennest" durch die Klangobjekte-Ausstellung führt, fragt: "Was hört ihr?" "Musik", ist die einhellige Antwort. Die Augenbinden fallen, forschende Blicke folgen der Kugel und entdecken Zusammenhänge. Lange, dicke Nägel erzeugen tiefe Töne, kurze dünne dagegen hohe. Johannes sagt: "Bei den großen Nägeln ist die Musik am schönsten." Dann fahren tastende Kinderhände über das Metall und machen die überraschende Erfahrung: "Das kribbelt." Christina Biundo knüpft sofort an und führt zu einem Gong aus Metallplatten. Dort halten sich die Kinder die Ohren zu und fassen nach einem kräftigen Gongschlag auf das Eisen. Wieder ist das Kribbeln da, nur stärker. "Das sind die Schwingungen, die den Ton machen", erklärt Biundo. Die Kinder sind Feuer und Flamme, probieren unvoreingenommen alle Objekte aus, machen Krach, lauschen, vergleichen, fühlen und lachen. Ihre Begleiterin, Pädagogin Tina Bretz, freut sich: "Schön, dass diese Kunst zum Spielen einlädt." Mit einer anderen Gruppe habe sie eine Picasso-Ausstellung besucht. Dort hätten die Kinder über zahllose Assoziationen Zugang gefunden. "Es ist eben wichtig, dass man einen Bezug hat." Der sei bei Kindern am besten über sinnliche Erfahrung herzustellen, sagt Christina Biundo. Und dafür eigne sich zeitgenössische Kunst hervorragend. "Da erleben Kinder und Jugendliche, dass nicht alles perfekt abgebildet sein muss, sondern dass auch Wiedergabe einer Innenwelt Wert hat, an die sie mit ihren eigenen Empfindungen anknüpfen können." Mit besten Empfehlungen

Ein Jugendlicher habe einst Holzskulpturen abgelehnt: "Das ist nichts besonderes, das könnte ich auch." Im anschließenden Dialog über die Freiheit innerlicher Verwirklichung beim Künstler habe er aber plötzlich die eigenen Ängste reflektiert. "Und genau das ist Kunstbetrachtung, wenn sich etwas bewegt, wenn man etwas spürt und an sich selbst herankommt." Mit der gezielten Einladung von Kindertagesstätten, Schulen und Jugendeinrichtungen hat die Tufa offenbar eine Bedarfslücke gefüllt. Acht Gruppen waren bereits dort, 25 weitere sind angemeldet. Das Interesse ist groß. Deshalb werde die Idee auf jeden Fall fortgeführt, demnächst stehe Malerei auf dem Programm, sagt Biundo. Bis zum 25. Februar ist jedoch noch "Stock über Stein" zu erleben, mit besten Empfehlungen der Spatzennestkinder: "Das ist toll, da kann man alles ausprobieren und man hört schöne Musik."

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