"Mit achtzig höre ich auf"

TRIER-WEST. Die Trierer Kommunalpolitik verfügt über keine all zu große Anzahl echter Lokalmatadore. Einer, der zweifellos dazu gehört, ist der Trier-Wester Ortsvorsteher Helmut Kress.

Zu sagen, Helmut Kress gehöre zu den Stillen im Lande, wäre ebenso richtig wie falsch. Wohl wahr: Seit 39 Jahren sitzt er im Trierer Stadtrat, aber es gibt Generationen von Ratsmitgliedern, die Mühe haben, sich an eine Kress-Rede zu erinnern. Öffentliche Ansprachen sind seine Sache sicher nicht. Aber da sind auch die unzähligen Gespräche auf seinen täglichen Rundgängen durch Trier und vor allem durch "seinen" Stadtteil Trier-West. "Versuchen Sie mal, mit dem durch die Stadt zu gehen", sagt die Mitarbeiterin im SPD-Büro und winkt vielsagend ab: "Keine 30 Meter kommen Sie da, ohne stehen zu bleiben." Seit der Gründung 1974 wirkt der Sozialdemokrat im Ortsbeirat mit, die letzten 15 Jahre als Ortsvorsteher. Aber anders als seine Kollegen hat er keine Sprechstunde, und der Versuch, ihn via Handy oder gar E-Mail zu erreichen, ist zum kläglichen Scheitern verurteilt. "Ich bin eh immer auf der Straße", lacht er. Die Bürgernähe hat ihm ein Maß an Popularität beschieden, das unabhängig macht von der wetterwendischen Parteien-Gunst. Bei den Kommunalwahlen 1999, als die SPD reihenweise ihre Hochburgen verlor, fuhr Kress in Trier-West fast 60 Prozent ein. Gleichzeitig beförderten ihn die Wähler mit ihren Personenstimmen von Platz 31 der Stadtratsliste auf Platz 7 und damit in seine achte Legislaturperiode. Aus solchem Stoff sind Legenden gestrickt. Auch wenn mancher im Umfeld meint, Helmut Kress sei den irdischen Dingen der Politik längst entrückt: Er denkt mit seinen 74 Jahren keineswegs an den kommunalpolitischen Ruhestand. "Ich lebe allein, da müsste ich ja den ganzen Tag zum Fenster raus starren", beschreibt er den befürchteten Alltag ohne Amt und Würden. "Mit 80 höre ich auf", kündigt er an, und es klingt ganz und gar nicht, als wolle er sich selbst auf den Arm nehmen. Er sei halt "ein ziemlich kontinuierlicher Mensch", hält Helmut Kress fest. 25 Jahre amtierte er als Schöffe, seit 34 Jahren ist er Schiedsmann, und die Mitgliedschaft im Anstaltsbeirat der Justizvollzugsanstalt ist mit zwölf Jahren noch sein frischester Job. Sitzungstermine nimmt er sehr ernst, Schlunzen oder mal auf einen Kaffee verschwinden, wie so mancher Kollege, ist bei ihm "nicht drin". Schließlich hat er beim alten SPD-Zuchtmeister Hans König Disziplin gelernt, 1964, als er in den Stadtrat einzog, "in der naiven Meinung, da drin säßen lauter Nobelpreisträger". Inzwischen hat sich seine Einschätzung relativiert. Ebenso wie die Vorurteile, die dem gebürtigen Trier-Wester einst entgegenschlugen. In seinem Stadtteil wohnen trotz Image-Problem "manierliche Leut'", sagt der Ortsvorsteher energisch. Da gebe es allenfalls "minimale Ausfall-Erscheinungen". Dass der Name immer noch mit den Elendsquartieren der Nachkriegszeit verbunden ist, ärgert ihn - er hält ein trotziges "Ich bin stolz, Trier-Wester zu sein" dagegen. Manchen Niedergang hat er mit erlebt, aber auch viele Neuanfänge: Den Abriss der Hornkaserne, den Bau der Adenauer-Brücke, neue Verkehrsadern, große Renovierungsprojekte. "Damals war noch Geld da", sagt Kress. Und wenn er heute ein Vorhaben angehen könnte, ganz ohne Geldsorgen? Keine Frage für den Polit-Veteranen: Den traurigen Zustand des ehemaligen Ausbesserungswerkes würde er gerne ändern. Eine echte Sisyphus-Arbeit. Aber bis zum 80. hat er ja noch ein paar Jährchen Zeit.Morgen in unserer Serie Trier - ganz nah: Der Bericht über das TV -Ortsgespräch.

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