Mit dem "Allerheiligsten"

LAMPADEN/PASCHEL. Nach dem Bombenangriff auf Konz-Karthaus am Pfingstsamstag 1944 hat Marianne Karl in Lampaden Folgendes erlebt.

Das Haus im Parallelweg 29 wurde total zerstört, wir waren im Haus Nr. 31. Im Luftschutzkeller warf Herr Deil einen Blick hinaus. Was er sah, schilderte er uns mit den Worten: "Euer Haus steht schief." Ein Holzhaus fällt nicht ganz zusammen. Zur Straßenseite ein Volltreffer, hat es alles mit sich gerissen in den Keller. Die Rohre der Wasserleitungen waren beschädigt, und so stand das Wasser mit Lehmboden vermischt zwischen den Trümmern. Mein Vater, Reichsbahnbeamter, kam gerade vom Dienst. Den Weg versperrten die Trümmer des Angriffes. Doch wir - meine Mutter, mein Bruder und ich - sind mit dem Schrecken davon gekommen. Mit dem wenigen, was noch brauchbar war, flüchteten wir nach Lampaden zu unseren Verwandten in das Elternhaus meiner Mutter. Am 26. Februar, kurz vor Ende des Krieges, wurde mein Vater von Granatschüssen tödlich getroffen. Es war grausam. Am 1. März 1945 zogen die Amerikaner im Dorf ein. Wir wurden in die Kirche geschickt. Viele Familien mit kleinen Kindern und älteren Leuten, überwiegend Frauen, beteten, und gleichzeitig war ein Getöse zu hören. Die Besatzer schossen, und das deutsche Militär schoss zurück. Es entstand ein Straßenkampf, Mann gegen Mann. Es starben viele Soldaten. Die konnten wegen der Schießerei nicht weggeschafft werden. Die Lampadener und andere Leute, die dort in Familien untergebracht waren, mussten das Dorf mit ein wenig Gepäck im Handwagen oder mit einem Pferdewagen verlassen. Nach einer guten Stunde sind wir in Paschel angekommen. Die Leute wurden in verschiedenen Keller untergebracht. Wir wohnten bei einer Familie Lauer mit dem Pastor von Lampaden zusammen und dem Allerheiligsten, und wir glaubten fest daran, dass die Hostie uns beschützt. Drei Wochen lang mussten wir auf den Kartoffeln schlafen, drei Wochen lang zogen wir uns nicht aus und hatte auch keine frischen Kleider dabei. Dann durften die Männer und Jungen zurück ins Dorf. Das Vieh war frei herum gelaufen, viele Tiere verendeten. Es roch furchtbar. Auch die gefallenen Soldaten lagen noch überall herum. Sie wurden nach Papieren untersucht, die meisten hatten keine. Sie kamen in ein Massengrab mit der Aufschrift: "Hier ruhen 72 unbekannte Soldaten." Jahre später wurden sie umgebettet, irgendwohin. Am Tag, an dem mein Vater umkam, wurde er mit dem Pferdefuhrwerk in einer Holzkiste zu Grabe gefahren. Es begleiteten ihn unter Beschuss mein Onkel, ein Bekannter und der Pastor Zimmer. Sie konnten das Grab nicht vollständig aufschütten, so dass noch zwei Soldaten in Uniform über den Sarg gebettet wurden. Wochen später gingen meine Cousine und ich zum Friedhof, um das Grab herzurichten. Ich hackte im Grund, blieb aber immer wieder an irgendetwas hängen. Wir meldeten dem Bürgermeister, was wir erlebt hatten. Die Soldaten wurden in ein anderes Grab gelegt und später umgebettet. Traurige Erlebnisse für mich mit fast elf Jahren. Marianne Karl, geb. Streit, 54329 Konz

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