Mit dem Tod gerechnet

TRIER. Ludwig Baumann, Wehrmachtsdeserteur und Gründer der "Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz", berichtete im Weltladen der Arbeitsgemeinschaft Frieden über sein Leben als Wehrmachtsdeserteur und über seinen Kampf für eine Rehabilitierung.

Der 82-Jährige Bremer hat mit seiner jahrelangen Überzeugungsarbeit dazu beigetragen, dass der Bundestag verurteilte Wehrmachtsdeserteure 2002 vom Makel der Vorstrafe befreit hat. Mit bewegter und leiser Stimme erzählt Baumann von seiner Zeit als Soldat bei der Wehrmacht. 1940 kam der damals 19-Jährige zur Kriegsmarine, er hasste den Drill und träumte von der Freiheit. Er wollte wie viele seiner Kameraden einfach nur leben. "Ich hatte erkannt, dass es ein verbrecherischer, völkermörderischer Krieg war", so Baumann. Seine Kompanie wurde ins besetzte Frankreich an die Kanalküste verlegt. Er beschloss zu flüchten, denn er wollte sich seinen Traum erfüllen und nach Amerika auswandern. Doch schon nach kurzer Zeit wurde er gefasst und zum Tode verurteilt. Zehn Monate saß Baumann in der Todeszelle, dieses Trauma hat er bis heute nicht überwinden können. "Jeden Morgen, wenn ich die Wachen hörte, dachte ich: Jetzt holen sie mich raus, und ich werde erschossen." Nach sieben Wochen wird er begnadigt, aber man verschweigt es ihm mehr als acht Monate lang. Er kommt in das KZ Esterwege, später ins Militärgefängnis im sächsischen Torgau. Dort muss er bei Exekutionen von Deserteuren zuschauen. 1944 wird er dann mit dem Strafbataillon 500 an die Ostfront geschickt, die meisten kehrten nie zurück. Schwer verletzt erlebt er das Kriegsende. Doch Zuhause wird er als Feigling und Vaterlandsverräter beschimpft und bekommt Morddrohungen. Dies ist für Baumann zuviel, er verfällt dem Alkohol, vertrinkt sein ganzes Geld. Erst nach dem Tod seiner Frau wacht Baumann auf. Er will jetzt kämpfen, für die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure, die in der Bundesrepublik offiziell als vorbestraft galten. Er engagiert sich in der Friedenbewegung und gründet 1990 die "Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz". Kämpferisch ist Baumann bis heute, er setzt sich für eine angemessene Gedenkstätte für die Opfer der NS-Militärjustiz ein, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.

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