Miteinander statt nebeneinander

TRIER. "Importbräute", homosexuelle Türken, Ghettoisierung von Migranten: Die Gräben, die zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen verlaufen, können tief sein – auch in Trier. "Parallelgesellschaften" heißt eine Veranstaltungsreihe der Uni Trier, die darauf aufmerksam machen will.

Ohne ein Wort Deutsch zu verstehen oder zu sprechen, können Ausländer in großen deutschen Städten ihren Alltag gestalten. Sie kaufen ein in türkischen Lebensmittelläden, besuchen Ärzte, die aus ihren Ländern stammen und konsultieren Rechtsanwälte, die ihre Sprache sprechen. "In Trier sind die Strukturen für ein solch abgeschottetes Leben zwar nicht so ausgeprägt vorhanden, dass tatsächliche Parallelgesellschaften entstehen könnten. Aber es ist schon so, dass in ausländischen Lebensmittelläden vorrangig auch Ausländer einkaufen gehen", sagt Andrea Hense. Trennung ist sehr ausgeprägt

Den Begriff "Parallelgesellschaften" verwendet die Trierer Soziologin ohnehin nicht gerne - obwohl das Seminar, das sie im Sommersemester ihren Studenten angeboten hat, eben diesen Titel trug. "Aber mit dem Begriff assoziiert man allzu leicht eine totale Trennung von Gesellschaftsgruppen. Dabei gibt es natürlich Durchmischungen - etwa in Sportvereinen, beim Ausgehen, in den Schulen. Aber in einigen Bereichen ist die Trennung eben doch sehr ausgeprägt." Die Doktorandin, die zum Thema "Soziale Ungleichheiten in Osteuropa" promoviert, hat auch in Trier schon von einer Zwangsverheiratung gehört. "Die Männer, die ihre jungen Bräute nach Deutschland holen, haben häufig gar kein Interesse daran, dass sich die Frauen integrieren." Diesen "Importbräuten" würde bewusst der Kontakt zur deutschen Kultur verwehrt. Manchmal sei auch verfehlte Integrationspolitik der Kommunen Ursache für die Gräben zwischen Bevölkerungsgruppen: "Dass die Asylanten in der Dasbachstraße, weit weg von der Innenstadt, untergebracht werden, ist wegen der dort existierenden Kasernengebäude vielleicht praktisch, kommt aber einer Ghettoisierung gleich und erschwert die Kontaktaufnahme zwischen Ausländern und Deutschen." Auch der hohe Anteil ausländischer Bürger unter den Trierer Arbeitslosen zeuge von ethnischer Benachteiligung. "Aber die Antworten auf diese schwierigen und vielschichtigen Probleme sind nicht einfach, weil viele Aspekte eine Rolle spielen." Unterschiede und Benachteiligungen dürften weder negiert noch die Probleme dramatisiert werden. Auf die Suche nach diesen schwierigen Antworten hat sich der Arbeitskreis (AK) "Migration und Segregation" der Uni Trier begeben. Entstanden ist der AK nach einem von Hense geleiteten Seminar. "Die Thematik hat die Studenten so interessiert, dass sie sich damit weiter beschäftigen wollten." Für die zweite Januarwoche haben die sechs Studenten - Deutsche mit zum Teil migrantischem Hintergrund - unter der Leitung von Hense und finanziell unterstützt von der Landeszentrale für politische Bildung, dem städtischen Kulturbüro, dem Asta der Uni und anderen Organisationen eine Veranstaltungsreihe mit renommierten Referenten aus ganz Deutschland auf die Beine gestellt. "Dabei kommen Betroffene, Wissenschaftler, Künstler, Verwaltungsbeamte und politische Gruppen zu Wort, um ihre Sicht auf das Phänomen darzustellen und zu diskutieren." "Echte" Integrationspolitik kann und will der Arbeitskreis damit zwar nicht betreiben. "Aber wenn die Aspekte, die zur Trennung der Bevölkerungsgruppen bekannt sind und kompetent diskutiert werden, kann das einiges zum besseren Miteinander dazutun."

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