Mitten ins Eintracht-Herz: Zweitliga-Abschied vor zehn Jahren schmerzt Fans nach wie vor - Eine Multimedia-Reportage

Trier · Eintracht Trier in der 2. Bundesliga – das war eine Erfolgsgeschichte. Bis zum 22. Mai 2005. Da stiegen die Fußballer in Saarbrücken unerwartet ab. Ein Trauma für Fans und Spieler. Der TV widmet dem Thema eine Multimedia-Reportage.

 Leere Gesichter bei den Fans, fassungslose Spieler: Mit dem Abstieg beim 1. FC Saarbrücken endete vor zehn Jahren die Zeit von Eintracht Trier in der 2. Bundesliga. Sebastian Becker, er sitzt rechts an der Bande, spielte von der D-Jugend an bei dem Verein und sagt: “Mich hat der Tag sicher schwerer getroffen als jemanden, der nur ein halbes Jahr dabei war, seine Arbeit verrichtet hat und dann gegangen ist.„ TV-Foto: Archiv/Hans Krämer

Leere Gesichter bei den Fans, fassungslose Spieler: Mit dem Abstieg beim 1. FC Saarbrücken endete vor zehn Jahren die Zeit von Eintracht Trier in der 2. Bundesliga. Sebastian Becker, er sitzt rechts an der Bande, spielte von der D-Jugend an bei dem Verein und sagt: “Mich hat der Tag sicher schwerer getroffen als jemanden, der nur ein halbes Jahr dabei war, seine Arbeit verrichtet hat und dann gegangen ist.„ TV-Foto: Archiv/Hans Krämer

Foto: Hans Krämer

Thomas Metzger wollte es nicht glauben. Das konnte nicht wahr sein, das durfte nicht wahr sein, dachte er. Der Fanbeauftragte von Eintracht Trier stand im Stadion des 1. FC Saarbrücken und starrte auf "diese beschissene Anzeigetafel", wie er sagt. Unentwegt und minutenlang. Durch die Lautsprecher hörte er die Hymne von Star Wars. "Ich habe darauf gewartet, dass 1860 gegen Ahlen das 4:4 schießt." Doch das Warten war vergebens. Das Ergebnis, das Metzger sich so sehnsüchtig erträumte, leuchtete nicht auf. Während der Abstiegskonkurrent aus Ahlen in der fernen Allianz-Arena sensationell mit 4:3 gewann, spielte Trier in Saarbrücken nur 1:1. Mit fatalen Folgen.

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Denn an jenem 22. Mai 2005 gab es um 16.51 Uhr traurige Gewissheit: Eintracht Trier war aus der 2. Bundesliga abgestiegen. Und das nach drei Jahren, in denen die Fußballer von der Mosel sich in ganz Deutschland einen Namen machten (siehe Extra).

Thomas Metzger verzieht immer noch das Gesicht, wenn er über den Abstieg spricht. "Was haben wir da verschenkt", hadert der Koch, der das Eintracht-Wappen auf seinem rechten Oberarm tätowiert hat. Wochen vor dem bittersten Tag seines Fanlebens hatte er noch nicht mit dem jähen Absturz gerechnet. Nach einem furiosen 2:1-Sieg beim 1. FC Köln lag Trier am 6. Mai noch fünf Punkte vor den Abstiegsrängen. Der Erfolg vor 50 000 Zuschauern und gegen einen Stürmer mit dem Namen Lukas Podolski besänftigte selbst die größten Zweifler.

Doch dann folgten nur noch Niederlagen. Bis zum letzten Spieltag. Das Derby in Saarbrücken, es wurde zum Zitterspiel. Metzger weiß noch,wie er an dem Tag mit seinem Bruder Uwe diskutierte. "Er hatte Angst. Ich nicht." Denn die Ausgangslange war günstig. Der Konkurrent aus Ahlen musste bei 1860 München gewinnen, das aufsteigen konnte und forsche Töne spuckte. "Es kann der AC Mailand kommen, wir werden das Spiel gewinnen", brüstete sich deren Angreifer Paul Agostino im Vorfeld.

Trier konnte aus eigenen Stücken die Klasse halten - mit einem Sieg. Zum Rivalen fuhren fast 5000 Fans mit, in Autos, Bussen, einem Sonderzug. Sie kamen aus Trier, Wittlich, der Vulkaneifel. Für sie begann alles nach Wunsch. Nach sieben Minuten flog das Bier durch die Stadionkurven, das einige beim Jubeln verspritzten. Sebastian Becker, das 19-jährige Talent, hatte zur Führung getroffen. Die Fans lagen sich in den Armen, den Torschützen bestürmten die Mitspieler. Becker, der seine Laufbahn wegen einer Verletzung früh beendet hat und inzwischen Grafikdesigner in München ist, betont: "Die Fernsehbilder habe ich mir nie angesehen. Leider war das Tor ja nichts mehr wert."

Saarbrücken kam zum Ausgleich. Und die frohe Kunde von der 1:0-Führung von 1860 München war schnell überholt, weil Ahlen aufholte. An den Gong, mit dem die Stadionregie ein Tor auf den anderen Plätzen ankündigte, denkt Becker noch heute mit Schrecken. "Es klang wie im Schwimmbad, wenn Eltern ihr Kind ausrufen. Jedes Mal, wenn ich ihn hörte, haben Spieler beider Mannschaften zur Anzeigetafel geguckt und auf die Zwischenstände gewartet. Das war der Horror." So erging es auch den Fans im Block. Wie Thomas Metzger. Er blickte zur Tafel, feuerte seine Mannschaft an, bangte und zitterte. Er war machtlos und harrte trotzdem bis zum Ende aus. "Ich muss das immer bis zum Letzten sehen." Andere Anhänger konnten den drohenden Abstieg nicht mit eigenen Augen ertragen. Sie sind hinter die Tribüne gelaufen, warteten bis zum Abpfiff und hofften auf einen Torjubel für ihre Mannschaft. Vergebens. Das Siegtor gelang nicht mehr. Während die Fans weinten, saßen die Spieler vor Banden und auf der Ersatzbank. Becker, der von der D-Jugend an für Eintracht Trier spielte, sagt: "Mich hat der Tag sicher schwerer getroffen als jemanden, der nur ein halbes Jahr dabei war, seine Arbeit verrichtet hat und dann gegangen ist."

Metzger erzählt, er habe auf der Rückfahrt im Bus "Rotz und Wasser" geheult. Ohne ein Wort zu sprechen. Die Nachwehen des Abstiegs spürt der Fanbeauftragte von Eintracht Trier daran, dass die Gegner nun Neckarelz statt Nürnberg heißen. Auch auf seine. "Als wir in der 2. Bundesliga gespielt haben, gab es jedes Jahr ein Freizeitturnier mit 25 Fanclub-Mannschaften. Nun richten wir das mit Glück nur noch alle zwei Jahre aus und sind froh, wenn wir acht Teams zusammenkriegen", sagt Metzger. Er ist seinem Verein aber treu geblieben. An die Zweitliga-Zeiten denkt er gerne zurück. Aber auch die Rückschläge schrecken ihn nicht. "Ich würde Eintracht Trier noch in der C-Klasse gucken gehen. Fan ist und bleibt man ein Leben lang. Daran ändert ein Spiel nichts", ist die Überzeugung von Metzger. Er sagt: "Wir sind dazu verdammt, mit dem Verein zu leben und zu leiden."

Videos, Audiotöne und weitere Hintergründe gibt es in unserer Multimedia-Reportage unter www.volksfreund.de/eintrachttrier
Extra
Die 2. Bundesliga

Das 1:1 beim 1. FC Saarbrücken schloss die dreijährige Zeit von Eintracht Trier in der 2. Bundesliga ab.
In die Saison 2002/03 starteten sie als Aufsteiger mit vier Siegen, waren Tabellenführer und verpassten nur knapp den Durchmarsch in die 1. Bundesliga. Ein Höhepunkt: Der 3:2-Sieg bei Eintracht Frankfurt.

Um den Klassenerhalt zittern mussten die Trierer im zweiten Jahr. Dann leiteten sie mit einem 1:0 gegen Mainz 05 und Jürgen Klopp die Wende ein.

Schon gerettet schien die Eintracht im dritten Jahr. Zum 100. Vereinsgeburtstag war das Thema ein neues Stadion. Doch dann rutschte die Mannschaft ab und verpasste den Klassenerhalt wegen eines einzigen Tores, das fehlte. flor
Extra
Treue Fans sind sich sicher: "Wir werden wieder belohnt"

 Thomas Metzger. Foto: TV-Archiv

Thomas Metzger. Foto: TV-Archiv

Foto: TV-Archiv

Ein Aufstieg in Hoffenheim hat die Fans von Eintracht Trier elektrisiert. Die Zeit in der 2. Bundesliga kann ihnen kein Mensch nehmen. Auch nach dem Abstieg halten einige die Fahnen hoch. Zwei Anhänger erzählen von ihrer Leidenschaft.

Andreas Geib hat schon einmal erlebt, dass es sich lohnt, an Eintracht Trier zu glauben. 2002 war das, am 11. Mai. Da nahm das Abenteuer von der 2. Bundesliga seinen Anfang - mit einem 2:1-Sieg in Hoffenheim. Es war der Aufstieg, an den er fast nicht mehr geglaubt hatte. 21 Jahre lang dauerte es, bis die Fußballer ihren großen Traum erfüllen konnte. Der 30-Jährige denkt gerne an den Tag: "Nach dem Spiel haben mein Vater und ich auf dem Rückweg die Fanschals aus dem Autofenster gehängt. Es war ein Höllenlärm, es klatschte nur so gegen die Scheiben, aber das waren Emotionen pur." In der 2. Bundesliga reiste Geib mit, wenn es in alle Ecken des Landes ging. Als Fan ist er aber auch jetzt treu, in der Regionalliga. Geib ist im Vorstand des Supporter Clubs Trier (SCT), der viele Geschicke lenkt. Mit seiner Freundin Eva verkauft er die Fanartikel. Trikots, Schals. Und Fahnen, wie Martin Köbler neulich bemerkte. Eine solche hatte nämlich vor den Augen des Fans ein Vater seinem fünfjährigen Jungen gekauft. Der schwenkte sie stolz vor sich her. "Das sind die Momente, in denen ich weiß, dass es hier weitergeht", sagt Köbler. Dann verlassen ihn die Zweifel an eine glorreiche Zukunft, die er hat, wenn er im Moselstadion nur 1000 Zuschauer sieht. Auch der 30-Jährige wartet geduldig auf Glücksmomente - so wie auf den Sieg gegen den FC St. Pauli im Pokal vor wenigen Jahren. "Nach dem Siegtor in der letzten Minute sind vor der Ostkurve alle aufeinander gefallen. Für solche Momente in ich dankbar." Köbler glaubt an besser e Zeiten: "Es wird der Moment kommen, an dem die Menschen, die an diesem Verein hängen, diesen Verein lieben, diesen Verein leben und mit diesem Verein leiden, endlich wieder belohnt werden." So wie einst in Hoffenheim. flor

Interview mit Alfons Jochem, damaliger Eintracht-Vorstand: <b>&bdquo;Ich sehe Eintracht Trier dauerhaft ein ambitionierten Ausbildungsverein&ldquo; &nbsp;

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