Modellprojekt für sozialen Wohnungsbau in Trier: Planer müssen sich beschimpfen lassen

Trier · Viele Bürger in Mariahof lehnen das Bauprojekt am Hofgut weiter ab. Heftige Diskussionen enstanden bei der Vorstellung der Pläne.

Als sich der Stadtrat Trier im Februar 2016 mit großer Mehrheit dafür entschieden hat, neben dem Gut Mariahof und im Neubaugebiet BU14 "Ober der Herrnwiese" sozial geförderten Wohnraum neu zu schaffen, geschah das unter anderen Vorzeichen. Bis zu 50 Flüchtlinge pro Woche musste die Verwaltung damals noch unterbringen, die der Stadt vom Land zugewiesen wurden. Deshalb sollten die insgesamt bis zu 90 Wohnungen überwiegend für die Menschen genutzt werden, die auf den Abschluss ihres Asylverfahrens warten.

Die Lage hat sich inzwischen entspannt. Es kommen viel weniger Flüchtlinge nach Rheinland-Pfalz. Und wer kommt, bleibt in der Regel so lange in den Aufnahmeeinrichtungen, bis sein Asylantrag abgeschlossen ist. "Wir bekommen derzeit keine Zuweisungen mehr", sagt Sozialdezernentin Angelika Birk. Auf der Bürgerversammlung im Pfarrsaal Mariahof bestätigte am Mittwochabend auch Hans-Werner Meyer, Amtsleiter für Soziales und Wohnen, dass derzeit keine zusätzlichen Flüchtlingswohnungen gebraucht werden. "Wir kommen mit dem Bestand gut aus."

Viel Gehör fand er bei der Informationsveranstaltung damit allerdings nicht, bei der erstmals die Pläne für den dreigeschossigen Neubau am Gut Mariahof vorgestellt wurden, der bereits Ende des Jahres bezugsfertig sein soll. Baudezernent Andreas Ludwig und Frank Simons, Amtsleiter Gebäudewirtschaft Trier, hatten die Pläne für das 5,35 Millionen Euro teure Projekt mitgebracht. Das sind knapp 1,4 Millionen Euro mehr als ursprünglich geplant, weil das Raumprogramm auf die Vorgaben des normalen sozialen Wohnungsbaus angepasst und erweitert wurde. Das beinhaltet auch die Realisierung der Außenanlagen mit Ruhe- und Spielbereichen sowie vorläufig 30 Parkplätzen.

"Hier geht es nicht um ein Asylantenheim", nahm Ludwig Bezug auf anonyme Schreiben, die im Vorfeld der Veranstaltung in Mariahof aufgetaucht waren. "Hier entsteht ganz normaler sozialer Wohnungsbau." Seine Hoffnung, damit eine sachliche Diskussion anzustoßen, wurden nicht erfüllt. In zahlreichen, teilweise langen Wortbeiträgen machten die Gegner des Bauprojekts - sie waren unter den 90 Besuchern an diesem Abend deutlich in der Mehrzahl - ihre Ablehnung des Projekts deutlich. Dabei griffen sie den Baudezernenten verbal teilweise persönlich an und unterstellten ihm und dem Planungsbüro Inkompetenz. Von Bürgerbeteiligung könne keine Rede sein.

Das besondere Ausschreibungs- und Vergabeverfahren für das Projekt habe eine frühere Information jenseits von Ortsbeirat und Stadtrat nicht erlaubt, versuchte Baudezernent Ludwig zu beschwichtigen. Eine Verständigung mit den meisten Kritikern war aber auch nach drei Stunden nicht möglich.

Ortsvorsteher Jürgen Plunien zeigte sich am Ende der Sitzung entsetzt über die aggressive Stimmung im Saal. "Es ist einfach nicht wahr, dass eine Mehrheit in Mariahof gegen diese Bebauung ist", machte er seinem Ärger Luft. "Ich bin froh, dass ein Kompromiss gefunden wurde und nicht die ganze Platzfläche bebaut wird, wie in der Vorplanung vorgesehen."

Das Gebäude hat keinen Keller, es entsteht auf einer Betonplatte. Der Hybridbau besteht aus einem Stahlskelett, zwischen dem die Wände in Trockenbauweise errichtet werden. Dieser Gebäudetyp soll auch in BU14 in Filsch entstehen. Dort wird nach Aussage der Stadt eine eigene Informationsveranstaltung stattfinden.
Wohnungen für Flüchtlinge


Die Stadt Trier nutzt die ehemalige Jägerkaserne (Trier-West), einige Häuser im Burgunderviertel (Neu-Kürenz) und sogenannte Gewährleistungswohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen, die ihr vom Land zugewiesen wurden. Da eine solche Zuweisung derzeit nicht mehr stattfindet, reichen diese Kapazitäten aus. Deshalb werden die Wohnungen in Mariahof und Im Neubaugebiet BU 14 (Filsch) nicht mehr als Flüchtlingsunterkünfte gebaut, sondern nach den Vorgaben für den sozialen Wohnungsbau aufgewertet.

KommentarDemokratie in Vorgärten

Von Rainer Neubert

Was ist Bürgerbeteiligung? Über die Antwort auf diese zentrale Frage gab es bei der Vorstellung der Pläne für den Neubau neben dem Gut Mariahof keine Einigkeit. Sicher ist allerdings: Wenn jede Entscheidung der demokratisch gewählten Vertreter im Stadtrat und in den Ortsbeiräten als schlecht beurteilt wird, sofern sie nicht genau den eigenen Vorstellungen entspricht, gerät diese Gesellschaft in Gefahr.

Wer ausschließlich den eigenen Vorgarten zum Mittelpunkt des Gemeinwohls erklärt, zerstört das verträgliche Miteinander, das in einer parlamentarischen Demokratie in der Regel von Kompromissen geprägt ist. Das gilt umso mehr, wenn viele Menschen beteiligt sind.

Die Stadt Trier braucht dringend günstige Wohnungen für weniger wohlhabende Menschen. Der Neubau auf Mariahof ist ein guter Kompromiss, wie das schnell realisiert werden kann. Daran ändern auch Beschimpfungen nichts.

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