Moselaufstieg à la 1809: Die Bitburger

TRIER-WEST/PALLIEN. Das unbekannteste der bedeutenden Trierer Brückenbauwerke ist die Napoleonbrücke. Seit fast zwei Jahrhunderten verbindet sie Trier mit der Eifel. Aber kaum einer der tausenden von Kraftfahrern, die sie täglich nutzen, nimmt sie als Brücke wahr.

Wer die Bitburger Straße hinauf fährt, hat keinen Blick für die Schönheiten der bizarren Palliener Felsen-Landschaft. Die engen Kurven erfordern viel Konzentration. Dass sich gleich in der ersten Kurve links und rechts der Fahrbahn eine tiefes Bachtal auftut, bekommen Autofahrer allenfalls mit, wenn sie im Stau stehen. Aha, und über die Schlucht führt eine Brücke.Von der Not zur viel gepriesenen Tugend

Auf die geniale Idee, an dieser Stelle einen Übergang zu errichten, muss erst einmal jemand kommen. Peter Anton Gautarel, Straßen- und Brückenbau-Ingenieur im napoleonischen Saar-Departement (dessen Hauptstadt Trier war), entwarf diesen kühnen Plan vor rund 200 Jahren. Gautarel machte aus der Not eine von Fachleuten noch heute gepriesene Tugend. Das Verkehrsnetz im Trierer Land litt zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter der Vernachlässigung durch den Kurfürstlichen Staat. Der Weg von Trier Richtung Bitburg/Lüttich/Köln führte ab der Römerbrücke auf einer maroden und steinigen Trasse etwa auf der Höhe der heutigen Römerstraße Richtung Villa Reverchon, dann ging es wieder steil bergab ins Busental und bald wieder steil bergauf Richtung Kestenberg. Da erwies sich die Herrschaft der Franzosen, die Trier 1794 erobert hatten und unter Napoleon kräftig in den Straßenbau investierten, als glücklicher Umstand. Gautarel mochte nicht die Berg-und-Tal-Bahn sanieren und auf Vordermann bringen, sondern setzte den Bau eine ganz neue Straße durch: die heutige "Bitburger". Gautarel bekam das Geld und das Personal, um seine Frühform eines "Moselaufstiegs" zu realisieren. Clou des Projekts war die Überwindung der Bachschlucht mit einer speziellen Brückenkonstruktion. Ab 1809 rollte der Verkehr zwischen Trier und der Eifel über die Brücke. Der Genialität Gautarels zollten selbst die Preußen Tribut, die 1815 die Franzosen abgelöst hatten. In seiner Chronik von 1913 würdigt Historiker Gottfried Kentenich den Ingenieur als tüchtigen Mann, der die nicht zu leugnenden guten Seiten der "Fremdherrschaft" verkörpere und "in dankbarer Erinnerung erhalten zu werden verdient". Allerdings sprachen die Preußen nie von Napoleon- oder Napoleons-Brücke, sondern stets von der "Brücke zu Pallien". 135 Jahre tat sie ihren Dienst und erhielt zusätzliche Bedeutung, als die 1913 eingeweihte Kaiser-Wilhelm-Brücke zusätzliche Verkehrsströme brachte. Gegen Kriegsende 1945 sprengte die Wehrmacht das Bauwerk und durchtrennte eine wichtige Fernverkehrs-Ader, die amerikanische Truppen mit einer Notbrücke nur provisorisch wieder herstellen konnten. Das einspurige Provisorium blieb gut viereinhalb Jahre bestehen, bis vor 55 Jahren die Napoleonbrücke ihre Renaissance erlebte.Brücken-Neubau vor 55 Jahren eingeweiht

Kurz vor Weihnachten 1949 feierten die Trierer die Fertigstellung des Projekts, das die Kordeler Firma Gebr. Lieser in dreimonatiger Nonstop-Arbeit errichtet hatte. Eine anspruchsvolle und elegante Konstruktion ganz im Sinne Gautarels: Die mit Sandstein verkleidete Eisenbeton-Bogenbrücke, die nach einer Steigung von sieben Prozent in eine Kurve einmündet, verfügt über eine Spannweite von 22 Metern und eine Breite von 13,70 Metern. Die Kosten von rund 200 000 Mark teilten sich Land und Stadt. Ihren Elan sah die Firma Lieser belohnt: Sie stellte die Brücke trotz der knapp bemessenen Bauzeit 13 Tage vor dem vertraglich festgelegten Termin fertig und erhielt für jeden Tag eine Vergütung von 500 Mark. Für jeden zusätzlichen Bautag wäre eine Konventionalstrafe von 1000 Mark fällig geworden.

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