Nach Fast-Katastrophe in Trierer Park: Stadtverwaltung räumt Probleme mit Baumpflege ein

Trier · Die Stadt Trier war mit der Pflege des Ahorns, aus dem am Samstag ein Hunderte Kilo schwerer Ast auf eine Sitzbank im Nells Park gekracht ist (der TV berichtete), im Verzug. Der Baum hätte laut Richtlinien spätestens im April beschnitten werden müssen. Das räumte die Stadt am Dienstag auf Nachfrage des TV ein.

Nach Fast-Katastrophe in Trierer Park: Stadtverwaltung räumt Probleme mit Baumpflege ein
Foto: privat

Als sich der Baumkontrolleur am 8. Oktober vorigen Jahres den mächtigen Spitzahorn vornimmt, entdeckt er in dessen Krone mehrere Totholzäste. Totholz ist normal bei älteren Gehölzen wie dem rund 100 Jahre alten Ahorn im hinteren Teil des Nells Park in Trier. Bei Baum Nummer 409 im städtischen Baumkataster muss das nicht mehr mit dem Nährstoffkreislauf verbundene Geäst trotzdem herausgeschnitten werden. Die Gefahr, abzubrechen und beim Herunterfallen Schäden anzurichten, ist zu groß.
"Totholzbeseitigung" kreuzt der Mitarbeiter des städtischen Grünflächenamts denn auch in der Diagnoseakte für Baum 409 an. Und vergibt dafür die "Priorität 2". Laut Richtlinien der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL) heißt das, dass der Rückschnitt binnen der nächsten sechs Monate nötig ist. Spätestens im April hätte die Krone des Spitzahorns also zurückgeschnitten werden müssen. Die Arbeiten wurden allerdings aufgeschoben und waren laut Stadtverwaltung erst für Anfang September vorgesehen. Elf Monate nach der Kontrolle und fünf Monate später als vorgeschrieben.
Der Ast, der am Samstag heruntergekracht ist und dabei weitere Äste mitgerissen hat, war zwar kein Totholz, sondern voller Laub und vital. Bei Pflegearbeiten in der Krone wäre der zwei Meter lange, offene Riss auf der Oberseite des Astes, Ursache für dessen Bruch, allerdings wohl entdeckt worden. Das räumt auch Rathaus-Sprecher Hans-Günther Lanfer ein: "Da das Personal der städtischen Baumkolonne sehr gut ausgebildet ist und gewissenhaft arbeitet, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass dieser Riss im Zuge der Totholzbeseitigung aufgefallen wäre."Die 200 bis 300 Kilo Holz, die am Samstag um Haaresbreite einen Parkbesucher erschlagen hätten, wären dann wohl rechtzeitig weggeschnitten worden.
Stattdessen riss der Ast am Samstagnachmittag ab und zertrümmerte die neben seinem Stamm stehende Sitzbank vollständig. "Auf der Bank sitzen zurzeit eigentlich immer Leute. Dass sie unbesetzt war, als der Ast fiel, war pures Glück", berichtet eine Anwohnerin, die von ihrem Balkon direkten Blick auf die alten Parkbäume hat. Hunderte Asylbewerber aus der nahen Aufnahmeeinrichtung verbringen ihre Tage im Nells Park, dazu Dutzende Jogger und Spaziergänger. Triers neuer Baudezernent bedauert die Verzögerung bei den Sicherungsarbeiten an der Baumkrone sehr: "Wir kommen mit der Baumpflege einfach nicht nach", sagt Andreas Ludwig. "Wir wollen und brauchen deshalb unbedingt andere Arbeitsabläufe, um die Sicherheit zu erhöhen. So etwas darf einfach nicht passieren."
Im November 2012 war eine alte Rosskastanie im Trierer Rautenstrauchpark umgestürzt und hatte dabei eine Frau erschlagen und ein Mann schwerst verletzt. Auch damals war die vorgesehene Zweitkontrolle des Baums aufgeschoben worden. Zur Unterstützung der Baumkontrolleure des Grünflächenamts werden seitdem Arbeiten auch an ein privates Unternehmen vergeben. Ex-Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani hatte 2014 zudem ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die städtischen Baumkontrollen zu optimieren.
"Das Ergebnis des Gutachtens erwarten wir im Herbst", sagt Kaes-Torchianis Nachfolger Ludwig. "Ich gehe davon aus, dass sich zeigen wird, dass wir - vorbehaltlich der Zustimmung des Stadtrats - deutlich mehr Personal für die Baumkontrollen benötigen", schätzt der Baudezernent.
Der Kontrolleur, der die Zweituntersuchung der Unglückskastanie im Rautenstrauchpark aufgeschoben hat, war vom Trierer Landgericht zu einer Geldstrafe wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verurteilt worden. "Die Angst der Mitarbeiter in unserem Grünflächenamt ist seit diesem Unglücksfall und dem Gerichtsurteil sehr groß", sagt Ludwig.
Vielleicht so groß, dass sich die Mitarbeiter des Grünflächenamts - deren Amtsleiter vorige Woche Urlaub hatte - noch nicht mal getraut haben, den Astbruch dem Baudezernenten oder dem städtischen Presseamt zu melden. Erst auf Nachfrage des Trierischen Volksfreunds geriet die Angelegenheit am Montag an die Öffentlichkeit.

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