Nach der Kritik aus China an der Marx-Skulptur: Alles nur ein Missverständnis

Trier · Eine kleine Meldung zur Karl-Marx-Figur in der Frankfurter Allgemeinen sorgt in Trier für Unruhe. Und dafür, dass sich die Stadtverwaltung aufs heikle diplomatische Parkett wagen muss.

 Michael Schmitz

Michael Schmitz

Foto: Klaus Kimmling

Eigentlich könnte Klaus Jensen vermutlich jede Menge erzählen. Und darunter wären bestimmt auch einige lustige Anekdötchen, denn der ehemalige Trierer Oberbürgermeister (2007 bis 2015) ist bekannt für seinen trockenen Humor. Eigentlich. Bei der Nachfrage zur Karl-Marx-Skulptur aber geht der 65-Jährige am Donnerstag auf Nummer sicher und lässt sich nur mit einem Satz zitieren: "Vom Generalkonsulat der Volksrepublik China aus Frankfurt habe ich übermittelt bekommen, dass China der Stadt Trier zum 200. Geburtstag eine Statue von Karl Marx schenken will." 2014 sei das gewesen.

Die Nachfrage, wie das damals genau war, ist nötig, weil es nach einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) am Donnerstag Unruhe im politischen Trier gibt. Die chinesische Botschaft beklage "selektive Berichterstattung" der deutschen Medien über die Karl-Marx-Statue, berichtet FAZ-Landeskorrespondent Timo Frasch.

Die Statue sei "ein freundliches Geschenk, und es soll bitte weder überinterpretiert noch politisiert, ideologisiert werden", zitiert er eine Stellungnahme der Botschaft aus Berlin. Neben dieser Reaktion auf die teils china-kritische Debatte im Trierer Stadtrat lassen vor allem zwei Sätze aufhorchen: Es scheine so, als ob der chinesische Künstler oder China der Stadt das Denkmal aufzwingen wollten, zitiert Frasch die Botschaft, dabei sei "die Statue als Geschenk auf Bitte der Trierer Seite zustande gekommen".

Wie bitte? Trier hat China um die Karl-Marx-Statue gebeten? Das wäre eine ziemliche Neuigkeit. Noch ehe die FAZ gedruckt ist, geht der Artikel am Mittwochabend online - und prompt folgen Reaktionen. Ein erklärter Gegner des China-Geschenks ist der Trie-rer FDP-Chef Tobias Schneider.

Eben hat er sich noch im Internetnetzwerk Facebook stolz darüber gezeigt, dass er in einem Artikel der weltbekannten New York Times zu Marx zitiert wurde, da teilt er im Hinblick auf den FAZ-Artikel schon ordentlich aus: "Es ist offensichtlich, dass hier eine Seite die Unwahrheit verbreitet. Sofern die Darstellung der chinesischen Diplomaten der Wahrheit entspricht, (...) wurde die Debatte im Stadtrat unter falschen Vorzeichen geführt und müsste dringend wiederholt werden", schreibt Schneider in einer eilens verschickten Pressemitteilung. "Wenn aber die VR China in dem Moment beginnt, die Tatsachen zu verdrehen, wenn öffentlich Kritik geäußert wird, wirft das ein anderes Licht auf den gesamten Vorgang und bestätigt unsere Kritik an dem Regime in Peking erneut."

Im Rathaus beginnt schon am Abend und erst recht am Donnerstag früh hektische Betriebsamkeit. Bisher lief der Trierer Kontakt meist über das chinesische Generalkonsulat in Frankfurt. Warum schaltet sich auf einmal die Botschaft in Berlin ein? Warum auf einmal diese Kritik? Eine direkte Antwort bekommt der Trierische Volksfreund auf eine Anfrage in Berlin bis zum Abend nicht. Die bekommt aber Oberbürgermeister Wolfram Leibe.

Gegen 16 Uhr meldet sich der chinesische Botschafter, der derzeit in Peking ist, bei ihm, zuvor hat Leibe schon drei Telefonate mit dem Generalkonsulat in Frankfurt geführt. Shi Mingde, der chinesische Botschafter in Berlin, bestätigt Leibe, dass die Karl-Marx-Statue eine Initiative seines Landes und ein Zeichen der Freundschaft zwischen China und Deutschland sei. Für die Pressemitteilung am späten Nachmittag wird jedes Wort genau abgestimmt - Diplomatie ist heikles Terrain. Dazu, dass seine Botschaft der FAZ gesagt habe, Trier habe selbst um das Geschenk gebeten, lässt sich der Botschafter so zitieren: "Es handelt sich hier um ein bedauerliches Missverständnis."

Die Schenkung sei ein Zeichen des Respekts gegenüber der Stadt Trier. Das entspreche auch dem hohen Niveau der chinesisch-deutschen Beziehungen. Ähnlich äußert sich auch das Generalkonsulat in Frankfurt: "Die chinesische Seite würde gerne durch die Schenkung der Statue, auf die sich die Stadt Trier auch freut, ihren Beitrag zur Jubiläumsfeier leisten. Wir sind davon überzeugt, dass die Statue eine Bereicherung zum Jubiläumsjahr darstellen und lange für die Freundschaft zwischen den beiden Ländern stehen wird."

Eigentlich wollte der OB sich am Donnerstag um Haushaltsfragen kümmern - nun hat er fast nur mit Marx zu tun. Trotzdem hat er nach dem stressigen Tag sogar noch eine gute Nachricht: Der Botschafter habe ihm versprochen, Künstler Wu Weishan komme nach Trier und wolle sich in einer öffentlichen Veranstaltung präsentieren. Ganz ohne Missverständnisse.

Kommentar: Ziemlich undiplomatisch

<strong>D ie chinesische Botschaft kommentiert eine Debatte in der Stadt, der sie eigentlich eine Statue schenken will. Und behauptet auch noch, die Stadt habe das Geschenk quasi eingefordert. Das war so ungewöhnlich und vor allem undiplomatisch, dass man vermuten darf: Das sollte so wohl nicht sein, da hat offenbar jemand Mist gebaut. So kann der chinesische Botschafter das als Diplomat freilich auch nicht sagen, also war alles ein Missverständnis. Der Vorfall zeigt zweierlei: Einerseits, dass die Debatte in Trier von den Chinesen - zumindest den Vertretern in Deutschland - genau beobachtet wird. Andererseits, dass Marx zumindest einen Teil der Erwartungen des Jubiläumsjahres jetzt schon erfüllt: Er beschert Trier mehr als einmal bundesweite Aufmerksamkeit.
<strong>m.schmitz@volksfreund.de

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