Narben blieben als Erinnerung

Zu dieser Zeit wohnte ich, damals 19 Jahre, in der Gartenstraße in Bitburg. In der Woche vor Weihnachten lieh ich mir eine Käsekuchenform bei meiner Nachbarin aus. Am Heiligabend 1944 wollte ich diese zurückbringen, als der Fliegeralarm ertönte.Wir, mein Vater und ich, flüchteten also in den Keller, ich voran, kurz bevor die ersten Bomben fielen. Mein Vater stürzte mit der einstürzenden Treppe in den Keller. Der Kellerzugang war komplett verschüttet. Unsere Angst wurde ständig größer. Mein Vater und ich waren eingeschlossen. Durch die Waschküche war jedoch der Weg nach draußen möglich. Ich war so unter Schock, dass ich meinem Vater nicht glauben konnte, hier den besten Schutz zu haben. So hielt ich mir ein Brett über den Kopf in der Annahme, damit ausreichend geschützt zu sein. Schließlich versuchte ich, aus einem vergitterten Hühnerfenster zu klettern und habe heute noch Narben an meinen Fingern, die mich immer an dieses Weihnachtsfest erinnern.Wir gelangten nach einer langen Zeit voller Ängste und Bangen doch wieder nach draußen ins Freie. Voller Schrecken mussten wir sehen, dass das Nachbarhaus zerstört war. Welches großes Glück hatte ich, zur Zeit des Bombenangriffs nicht - wie geplant - die Kuchenform zurückgebracht zu haben. Die Krümel des Käsekuchens habe ich noch am Heiligabend aufgesammelt. Die Käsekuchenform, die ich ja nun nicht mehr zurückbringen konnte, behalte ich immer noch als Andenken an ein recht ungewöhnliches Weihnachtsfest 1944.Jedes Jahr zu diesem Zeitpunkt werden diese Erinnerungen in mir wach, und ich bin heute noch dankbar, diesem Schicksalsschlag entronnen zu sein. Vor diesem Hintergrund hat das Fest der Liebe und des Friedens eine neue Bedeutung für mich und meine Familie.Marlene Schmidt, geborene Münch, lebt in Trier. Die gelernte Einzelhandelskauffrau ist 79 Jahre alt.

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