Neid und Eifersucht als mögliches Motiv: Streetworker kennt Hintergründe des Todesfalls in Trier

Trier · Streetworker Raimund Ackermann hat die Obdachlose, die tot in einem leerstehenden Haus im Norden Triers gefunden wurde, gekannt und betreut – ebenso wie die beiden Männer, die verdächtig sind, die 43-Jährige getötet zu haben. „Mit dem Alkoholspiegel steigt die Gewaltbereitschaft“, sagt Ackermann, der seit 20 Jahren mit Obdachlosen arbeitet.

 Das Haus, in dem die drei Obdachlosen gelebt haben, steht seit Jahren leer und war mit über die Eingänge genagelten Brettern versperrt.

Das Haus, in dem die drei Obdachlosen gelebt haben, steht seit Jahren leer und war mit über die Eingänge genagelten Brettern versperrt.

Foto: Jasmin Wagner

Ein hoher Maschendrahtzaun umgibt das Haus in der Zurmaiener Straße 152. Hinter dem Anwesen radeln Familien mit ihren Kindern den Moselradweg entlang. Auf dem Grundstück stehen hohe Nadelbäume, Obstbäume und Brombeerhecken, die alles zugewuchert haben.

Die Hausnummer auf einem Sandsteinpfeiler, das kleine Türmchen mit der Wetterfahne auf dem Dach des Hauses und die Fassade im Fachwerkstil deuten darauf hin, dass dieses Gebäude einst ein gepflegtes und geschätztes Zuhause war.

Doch das Polizeisiegel an der Tür und ein blauer Gummihandschuh auf den efeubewachsenen Treppenstufen zum Eingangsportal deuten auf die Tragödie hin, die sich hier ereignet hat: Die Polizei hat am Dienstag die Leiche einer 43 Jahre alten Frau in dem leerstehenden Haus gefunden. Sie stammt aus der Obdachlosenszene. Zwei Begleiter stehen unter Verdacht, sie getötet zu haben. Beide sitzen in Untersuchungshaft.

"Ich habe die drei eng betreut, sie waren befreundet und gemeinsam unterwegs", sagt Raimund Ackermann. "Die Frau hatte vor kurzem wegen Diebstählen eine Haftstrafe verbüßt." Die drei Obdachlosen seien starke Alkoholiker gewesen. "Der Alkohol und auch andere Rauschmittel sind ein zentrales Problem in diesem Milieu", sagt der Trierer Streetworker. "So können Neid, Missgunst und Eifersucht auf tragische Weise eskalieren."

Auch Ackermann weiß natürlich nicht, was genau in jenem Haus in der Zurmaiener Straße geschehen ist. Der aktuelle Stand der Ermittlungen: Die Obduktion der Leiche hat ergeben, dass sie durch Schläge mit einem stumpfen Gegenstand tödlich verletzt wurde. Die beiden Tatverdächtigen, 32 und 43 Jahre alt, wurden stark alkoholisiert neben der Leiche gefunden. Sie haben die Tat bisher bestritten.

Das unbewohnte Haus hat laut Ackermann immer wieder Obdachlose angezogen. "Die Stadtwerke haben das Gebäude abgeriegelt und die Eingänge mit Brettern versperrt." Das obdachlose Trio hat diese Bretter offenbar entfernt. "Sie haben mich noch kurz vor dem tragischen Vorfall um Schlafsäcke gebeten", sagt der Streetworker.

Dieser Todesfall ist bei weitem nicht der erste, mit dem Raimund Ackermann konfrontiert wird und den er verarbeiten muss. "Es ist hart", sagt er nur mit einem kurzen Blick zum Boden. "Ich besorge Medikamente, Utensilien wie Gaskocher und Schlafsäcke und begleite die Obdachlosen bei Behördengängen. Aber vor allem will ich ihnen zeigen, dass jemand menschlich für sie da ist."

50 Obdachlose leben in und um Trier. Viele wollen die Angebote von Einrichtungen wie dem Benedikt-Labre-Haus nicht annehmen. "Sie wollen die dort geltenden Regeln nicht akzeptieren", sagt Ackermann. "Deshalb bleiben sie lieber auf der Straße."Extra: Verein Streetwork Trier

Ganz nah dran - so lautet das Motto des Vereins Obdachlosenhilfe Streetwork Trier. Zu seinen zentralen Leistungsträgern gehört Raimund Ackermann, der vor 20 Jahren seinen Job als Verwaltungsangestellter in der KFZ-Zulassung aufgegeben hat und sein Arbeitsleben seitdem der Unterstützung von Obdachlosen widmet. Sein Hauptziel ist es, die Menschen durch die Vermittlung von Job und Arbeit aus der Ausweglosigkeit eines alkoholgesteuerten Lebens auf der Straße zu führen. "Nach zwei bis drei Jahren auf der Straße kriegt man noch die Kurve", sagt er. "Danach ist es oft zu spät." Für alle, die diesen Weg nicht schaffen, will er da sein, ihnen zuhören, sie ernst nehmen. Alle Infos über den Verein gibt es unter www.streetwork-trier.de

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