Neongelbes Hochwasser

IRSCH. Nicht nur, wer an der Mosel wohnt, wird regelmäßig von Hochwasserfluten geplagt. Richtlinien für ein effektives Hochwassermanagement zu entwickeln, ist daher Ziel eines Forschungsprojektes des Fachs Hydrologie an der Universität Trier.

Ohne Gummistiefel kommt man heute im Tal zwischen Kernscheid und Irschermühle nicht weiter. Denn da, wo sonst der Grundbach mit ein paar größeren Schritten von Stein zu Stein leicht zu überwinden ist, sind die Fluten gestiegen, das Gewässer ist auf seine doppelte Breite angeschwollen. Für Andreas Kurtenbach in seinen oberschenkelhohen Gummistiefeln ist das "Hochwasser" kein Problem. Schließlich hat er die Flut veranlasst. Und sie neongelb gefärbt.Experimente seit 1997

Für 30 Minuten hatten die Stadtwerke am frühen Morgen auf Antrag des Hydrologen die Schleusen am Irscher Wasserwerk geöffnet und 280 Liter Wasser pro Sekunde in einen Zufluss des Olewiger Bachs eingeleitet. "Das kommt dem Zufluss nach einem mittleren sommerlichen Regenguss gleich", beschreibt Kurtenbach den Aufbau des Geländeexperiments. Als die Welle an der ersten Versuchsstation ankommt, schüttet er aus einer großen Flasche gelbe Flüssigkeit in den Bach. "Die gefärbte Flüssigkeit hilft uns zu erkennen, was im Bach bei Hochwasser passiert", sagt der Diplom-Geograf und wissenschaftliche Mitarbeiter beim Forschungsprojekt "Künstliche Hochwasserwellen" der Abteilung Hydrologie an der Universität Trier. Die gelbe Hochwasserwelle rollt weiter Richtung Olewig. An fünf Uferplätzen kontrollieren insgesamt 13 Mitarbeiter des Forschungsprojekts von Professor Wolfhard Symader, welche gelösten und festen Stoffe die Flut mit sich trägt. Seit 1997 nutzen die Hydrologen regelmäßig das Bachsystem oberhalb von Olewig für verschiedene Experimente. Am Kontrollpunkt "Schleimer" - benannt nach dem gegenüber liegenden Weingut - hockt Carsten Gutzler am Ufer, Bernhard Fink steht mitten im Bachlauf. "Jetzt!", sagt Gutzler mit Blick auf seine Stoppuhr. Sein Kollege taucht zwei Halbliterflaschen in den Bach. Gutzler schaut auf seine Geräte. 10,4 Grad Celsius, 16,5 Zentimeter Wasserstand, Leitfähigkeit 115 Mikro-Siemens. Sorgfältig notiert der Student der Umweltwissenschaften die Werte in seinen Listen. In regelmäßigen Abständen entnehmen die beiden Studenten Proben, die später an der Universität labortechnisch untersucht werden. "Das künstliche Hochwasser hat den Vorteil, dass man das Verhalten des Bachs untersuchen kann, ohne die Beeinflussung durch die Stoffe, die bei natürlichem Regen durch das Oberflächenwasser in den Bach gespült werden", sagt Kurtenbach. Die Analyse des Stofftransports liefert wichtige Informationen darüber, wie Hochwasser entstehen und zu den Quellen, Senken und Transportwegen von Schadstoffen. So kann untersucht werden, wie der Druckimpuls der Welle sich im Vergleich zu den Wassermassen durch den Bach bewegt. Daraus lassen sich dann wiederum Richtlinien entwickeln, wie bei "echtem" Hochwasser der Abfluss effektiv geregelt werden kann. Von einem ähnlichen, in dieser Größe angelegten, Experiment in Deutschland sei ihm nichts bekannt. "Möglich ist die Forschungsreihe auch nur, weil die Stadtwerke äußerst hilfsbereit sind." Am Bach ist es wieder soweit. "Jetzt!", sagt Gutzler. Mittlerweile sorgt nicht nur der Bach, in den Messgeräte getunkt und Probenflaschen gehalten werden müssen, dafür, dass die beiden klatschnass sind. Ein kräftiger Regenguss geht nieder und spült Oberflächenwasser in den Bach - das Experiment muss abgebrochen werden. Doch die Flaschen mit dem "künstlichen Hochwasser" stehen längst in Kurtenbachs Kombi. Und von der gelben, ungiftigen Farbe ist im Olewiger Bach auch nichts mehr zu sehen. Morgen: Hundekot verärgert Bewohner von Tarforst.

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