Neuer Zuschnitt bringt nichts

Ein kluger Kämmerer hat das Finanzsystem der Kommunen einmal mit einer Eieruhr verglichen: Oben (beim Land) flössen 100 Prozent Einnahmen hinein, unten (bei den Kommunen) kämen nur noch 21 Prozent heraus.

Fachleute sprechen in dem Kontext von der "Finanzausgleichsmasse". Finanzausgleichsmasse. Ein Begriff, wie er höhnischer kaum sein könnte, schließlich kann zumindest von Masse nicht die Rede sein. Doch der Reihe nach. Vor dem Hintergrund unübersehbarer Schuldenberge, der überzogenen Panik vor dem demografischen Faktor, politisch motivierten Zweckzuweisungen und unwirtschaftlichen Verwaltungsabläufen soll die Welt nun auf den Kopf gestellt werden. Was ist da simpler, den spitzen Stift zur Hand zu nehmen und die Landkarte mal eben neu zu schreiben? Natürlich ist dieses Ziel edel. Auch eine umfassende Territorialreform würde Geld sparen und zumindest in der (oberflächlichen) Wahrnehmung dazu führen, Kostendruck auf der einen, und verwaltungstechnischer Effizienz auf der anderen Seite gerecht zur werden.Das Forschen in den Ursachen des Dilemmas macht indes rasch deutlich, dass eine Gebietsreform schlicht verzichtbar wäre. Denn dass zunächst der Finanzausgleich einer dringenden Neuregelung bedarf, wird ebenso unbestritten sein wie die Tatsache, dass den Kreisen Aufgaben zugemutet werden, die sie nicht ansatzweise erfüllen können. Mit der gesellschaftlichen Entwicklung haben sich besonders die Sozialausgaben zum Schreckgespenst der Kämmerer entwickelt. Dieser sogenannte Einzelplan vier macht beispielsweise im Eifelkreis Bitburg-Prüm fast 60 Prozent aus, das sind satte 52,8 Millionen Euro. Immer mehr Heimunterbringungen sind nötig, ein Posten, der bis vor einigen Jahren noch vom Land mit 25 Prozent bezuschusst wurde. Inzwischen ist dort längst der Deckel drauf. Schwer zu schaffen macht den Kreisen auch das Kindertagesstättengesetz, eine komplexe Materie, die zeigt, dass die Finanzströme nur hin- und hergeschoben werden. Und aktuell: Die mögliche Übernahme der Trägerschaft der Schulen, was die Kreise erneut nötigen wird, an der Umlagenschraube zu drehen. Das Konnexitätsprinzip (wer bestellt, der bezahlt) wird nicht nur an dieser Stelle ad absurdum geführt. Auch im dritten Jahrtausend, in einer Welt von Globalisierung und wachsender Anonymität, macht es in erster Linie Sinn, Ursachenforschung zu betreiben. Die Forderung, Kreise, Verbands- und Ortsgemeinden zusammenzulegen, löst die gesellschaftlichen und die finanzpolitischen Probleme nur an der Oberfläche. Überdies muss man wissen, dass unsere Kommunalverwaltung nicht unwirtschaftlich ist. Während beispielsweise in Rheinland-Pfalz 15,4 Beschäftigte auf 1000 Einwohner kommen, sind es in Baden-Württemberg 20,3. Darüber hinaus trifft der Gemeinde- und Städtebund (auch mit Blick auf Bevölkerungsentwicklung, Bürgernähe und Eigenverantwortung) den Nagel auf den Kopf, wenn er fordert: "Die Ebene der Ortsgemeinde ist unverzichtbar, um demokratische Teilhabe erfahrbar zu machen und ehrenamtliches Engagement herauszufordern." Wie sagte unlängst der frühere österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser: "Finanzpolitisch wird in Deutschland zu viel herumgewurschtelt." Wo er recht hat, hat er recht. Manfred Reuter

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