Nicht nur Kinder lernen hier Deutsch

Das Spannungsfeld eines Wohnviertels spiegelt sich oft in seinen Schulen wider. Die Matthias-Grundschule in Trier-Süd beispielsweise hat einen Immigranten-Anteil von fast 50 Prozent. Für Schulleiterin Christina Steinmetz Problem und Chance zugleich.

Trier. Die Fassade stimmt bei der Matthias-Grundschule. Nur zwei Ecken von der Abtei entfernt, entdeckt man von der Saarstraße aus ein ansehnliches Jahrhundertwende-Gebäude in leuchtendem Rot. Wenigstens dafür hat die Farbe gereicht - leider nicht für mehr.Die Matthias-Grundschule hat etwas, was keine andere Grundschule besitzt: Einen historischen Klassenraum als hübsches kleines Schulmuseum. Allerdings finden die Kinder museale Bestände auch außerhalb dieses Kleinods. Die Küche neben dem Lehrerzimmer hat man aus Sperrmüll-Beständen bestückt, die Fenster sind von antiker Durchlässigkeit, viele Türen angeschlagen und die Turnhalle marode. Die Schulleiterin weiß nicht, ob sie den Zustand der Halle genau beschreiben soll, "sonst machen sie uns das Ding noch zu".

Zumindest beim Denksport funktioniert ihre Schule allerdings prima. Die Matthias-Schüler sind Bezirksmeister im Schach, wovon ein ansehnlicher Pokal im Lehrerzimmer kündet. Der Schachclub Trier-Süd hilft. Überhaupt helfen viele mit. RWE und Stadtwerke finanzieren den Computerraum, "Ein Herz für Kinder" zahlt fürs Sport-Spielfeld, die Nikolaus-Koch-Stiftung trägt ihr Scherflein bei, auch die Sparkasse, die AG Trierer Kinder, der Ortsbeirat, die LBS bezahlen das, was der Schulträger nicht mehr aufzubringen in der Lage ist. Wer hier Schulleiter ist, muss Sponsoren-Akquise mindestens so gut beherrschen wie Pädagogik.

Dass Letztere - und damit der einzelne Schüler - zu kurz kommt angesichts der Zeit und der Energie, die für "Nebensächliches" draufgeht, fürchtet nicht nur Christina Steinmetz. Auch Elternsprecher Johannes Mock ist sichtlich genervt vom Kleinkrieg ums tägliche Brot - was manchmal sogar wörtlich zu nehmen ist. Der Eltern-Förderverein organisiert die dringend benötigte Über-Mittags-Betreuung, weil der Antrag auf Ganztagsschule (83 der 137 Schüler haben Bedarf angemeldet) wegen der ausstehenden Entscheidung über das Schul-Entwicklungskonzept von der Politik auf Eis gelegt worden ist. So lange fließen Fördermittel nur zäh, aber viele Eltern in Trier-Süd können Essens-Kosten oder Gebühren für freiwillige AG's nicht aufbringen.

Erstaunlich, was die Schule trotzdem auf die Beine stellt. Angesichts der heterogenen Sozialstruktur - die Hälfte der Kinder kommt aus Familien mit "Immigrations-Hintergrund" steht Sprach-Förderung an oberster Stelle. Und nicht nur für die Schüler. 13 Mütter kommen in den Unterricht für das Programm "Meine Mama lernt Deutsch in meiner Schule".

Im Rahmen des Projekts "Ich und du und wir" betreibt man mit der Grundschule Mariahof und dem schulpsychologischen Dienst Gewaltspräventions-Arbeit. Auch in Sachen Umweltschutz sind Christina Steinmetz und ihre Schüler vorn, etwa mit der konsequenten Nutzung von Recycling-Papier.

Die schwierige Sozialstruktur und das breite Spektrum bei den Schülern sieht die Rektorin "nicht nur als Belastung, sondern auch als Bereicherung im Hinblick auf die kulturelle Vielfalt". Aber gerade Integrationsarbeit mit dem Ziel, "alle Kinder zu selbstbewussten Persönlichkeiten werden zu lassen", sei "nicht kostenlos zu haben".

In einem Punkt hat die Matthias-Schule ihr Traumziel schon fast erreicht: Hinter dem Haus ist einer der schönsten und bestausgestatteten Schulhöfe von Trier. 140 000 Euro wurden hier investiert — allerdings beschränkte sich die Stadt auf die Übernahme der Entsiegelung. Den Rest, so berichtet Johannes Mock, brachten die Eltern und Sponsoren auf, inklusive der Architekten-Leistung für die Bauplanung. Zum Dank wollte das städtische Bauamt noch Gebühren für die Bauleitung erheben - es bedurfte oberbürgermeisterlichen Einsatzes, um den Schildbürgerstreich zu verhindern.

Morgen in unserer Serie: Die Medard-Förderschule

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