"Nicht von Verantwortung entbinden"

123 Trierer Familien ließ das Jugendamt im Jahr 2006 "sozialpädagogische Hilfe" zukommen; 1998 waren es lediglich 42. Die Kosten für diese Unterstützung haben sich in den vergangenen acht Jahren mehr als vervierfacht. "Wir versuchen immer, optimal zu helfen", sagt Sozialdezernent Georg Bernarding. Am Geld sei noch keine Hilfe gescheitert.

Trier. (woc) Unabhängig vom oben geschilderten Fall bestätigte Dorothee Wassermann, stellvertretende Leiterin des Trierer Jugendamtes, dass die Zahl der überforderten jungen Mütter besonders gestiegen ist. Ihnen helfen die Familienarbeiter des Jugendamtes und die vom Amt beauftragten Träger, pünktlich aufzustehen, den Nachwuchs für Kindergarten oder Schule fertig zu machen und das Haushaltsgeld einzuteilen. Bei einigen Familien würde dafür ein wöchentlicher Besuch ausreichen, "schwere" Fälle müssten bis zu 30 Stunden pro Woche betreut werden. "Wenn eine Maßnahme notwendig ist, dann wird sie auch bezahlt", sagt Sozialdezernent Bernarding. Zwar habe auch das Jugendamt "starke Personalprobleme", weil die Zahl der Fälle stetig steigt, aber: "Im Vergleich mit anderen Kommunen ist die Situation in Trier noch sehr gut", betont Wassermann. Allerdings sei es nicht immer sinnvoll, möglichst intensiv zu betreuen. "Ziel unserer Hilfe ist, dass die Familien irgendwann wieder alleine zurecht kommen", sagt Wassermann. "Die Eltern dürfen nicht vollständig von ihrer Verantwortung entbunden, ihre Ressourcen nicht durch ein Übermaß an Betreuung erstickt werden." Die meisten der hilfebedürftigen Mütter würden die Hilfe gerne annehmen, um an ihrer Situation etwas zu ändern. "Aber manche wissen die einfachsten Dinge nicht - zum Beispiel, dass zehn Stunden Fernsehen am Tag ungesund für Kleinkinder ist, oder dass Eistee und Chips nicht Hauptbestandteil der Ernährung sein dürfen."Die Unterbringung der Kinder in Heimen oder Pflegefamilien sei immer der letzte Ausweg. Doch auch da sind die Zahlen gestiegen: Lebten im Oktober 2006 im Bereich des Trierer Jugendamtes 90 Kinder in einem Heim, waren es im Mai 2007 schon 103. Die Zahl der in einer anderen Familie untergebrachten Kinder stieg von Oktober bis Mai um acht auf 180. Ursächlich dafür, dass immer mehr Familien geholfen werden muss, ist laut Jugendamt die "fehlende Erziehungskompetenz sehr junger Eltern". Dazu komme eine gestiegene Anspruchshaltung, die häufig den Inhalt des Geldbeutels übersteige, erklärt Bernarding. "Daraus entstehen wiederum Unzufriedenheit und Resignation." Auch, dass Familienstrukturen weniger intakt seien als früher, führe zu Überforderung junger Familien aller Schichten.

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