Niemals vergessen!

Der Stolperstein in der Zuckerbergstraße 16 erinnert an das unbegreifliche Schicksal der jüdischen Familie Schraub. Lotte Efrati, eine Überlebende dieser Familie, besuchte jetzt auf ihrer wahrscheinlich letzten großen Auslandsreise das Mahnmal.

 Lotte Efrati (Zweite von links) und ihre Tochter Ziporra Benmelech (links) aus Israel sind nach Trier gekommen, um den Stolperstein, der zum Gedenken an ihren Vater und Großvater Efraim Schraub verlegt wurde, zu sehen. Thomas Schnitzler (rechts), Koordinator der „Stolperstein-Aktion“, erklärt die Hintergründe. TV-Foto: Katja Krämer

Lotte Efrati (Zweite von links) und ihre Tochter Ziporra Benmelech (links) aus Israel sind nach Trier gekommen, um den Stolperstein, der zum Gedenken an ihren Vater und Großvater Efraim Schraub verlegt wurde, zu sehen. Thomas Schnitzler (rechts), Koordinator der „Stolperstein-Aktion“, erklärt die Hintergründe. TV-Foto: Katja Krämer

Trier. (kat) Ziporra Benmelech hält die Hand ihrer 87-jährigen Mutter ganz fest. Lotte Efrati lebt in Israel und ist zurzeit zu Besuch bei ihrer Schwester in Antwerpen. Mit dem Zug ist sie von Belgien nach Trier gekommen, um einmal den Stolperstein zu sehen, der für ihren Vater Efraim Schraub in der Zuckerbergstraße 16 verlegt wurde.Thomas Schnitzler, wissenschaftlicher Koordinator des "Stolperstein-Projekts", hat die beiden Frauen am Hauptbahnhof abgeholt und in die Zuckerbergstraße gefahren.Lotte Efrati hält inne, als sie dort steht, wo einst ihr Elternhaus war und die Flucht vor den Nazis begann. Sie hat Tränen in den Augen. Der Händedruck ihrer Tochter wird noch fester und signalisiert: Du bist nicht allein. "Hier habe ich meine Jugend verbracht", bricht Lotte Efrati das Schweigen und lässt ihre Blicke umherschweifen. Vieles hat sich verändert, doch die Erinnerung ist geblieben. An die Schulzeit, an Zeiten, in denen der Vater kaum noch Einkommen hatte und eine Verkäuferin in einem Geschäft in der Brotstraße ihr manchmal für wenig Geld und mit einem freundlichen Gesicht nicht mehr ganz einwandfreies Gemüse überließ. Und an Anpöbelungen von fremden Menschen, weil ihr Aussehen denen zu jüdisch erschien. 1937 ging Lotte Efrati nach Steckelsdorf bei Rathenau, um in einem Vorbereitungslager für Palästina zu arbeiten. Im Oktober 1938 wurde sie nach Zbonschin/Polen ausgewiesen. Unter unmenschlichen Bedingungen, begleitet von ständiger Angst, kam sie über Litauen, Lettland, Schweden, Holland und Frankreich 1940 nach Israel. Die Flucht riss die sechsköpfige Familie auseinander. Der Familienvater war nach Zbonschin deportiert und im Vernichtungslager Maidanek ermordet worden. Sein letztes Antwortschreiben auf ihren Brief hegt sie wie einen Schatz. "Meine Mutter ist im gleichen Jahr in London an Kummer gestorben", erzählt die alte Frau. Sie habe die Ungewissheit nicht ertragen und das Gefühl, dass ihre Kinder und ihr Mann nichts zu essen haben könnten, habe der Mutter jeden Bissen vereitelt."Das ist doch die Johannesstraße", sagt Lotte Efrati plötzlich und holt die Anwesenden ins Heute zurück. Dann liest sie die Namen und Daten, die auf den anderen Stolpersteinen eingraviert sind: "Julie, Berta..." Erinnerungen an Menschen, die ein ebenso grauenvolles Schicksal erleiden mussten, werden wach."Es ist schön, dass sie das machen", lobt sie die "Stolperstein-Aktion" und sie freut sich, dass die Kinder von Thomas Schnitzler und deren Freunde mitgekommen sind. "Weil das so in den Schulbüchern nicht drin steht", sagt der Historiker. Lotte Efrati nickt. Auf der Fahrt zum Hotel wirkt sie erleichtert.

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