Noch 1515 rollten hier Köpfe

Kein rundes, aber doch bedeutendes Jubiläum: Hauptmarkt und Marktkreuz prägen seit 1050 Jahren das Trier, das sich aus der untergegangenen Römerstadt entwickelte. Die Stadt würdigte den Doppel-Geburtstag mit einer zweiteiligen Veranstaltung am Sonntag.

Trier. Es war eine weitsichtige stadtplanerische Entscheidung, die Erzbischof Heinrich 958 traf. Er verlegte das Marktgeschehen, das sich zuvor kilometerweit südlich abgespielt hatte, in die Nähe des Doms auf einen eigens angelegten Platz. Der weist einen auf den ersten Blick merkwürdigen, aber sehr sinnvollen Grundriss auf: Das sich nach Süden öffnende Dreieck berücksichtigt wichtige Verkehrswege und weist der Marktkirche St. Gangolf schon lange vor dem Bau ihren Platz zu. Die Rechnung ging auf: In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich der Hauptmarkt "tatsächlich zum wirtschaftlichen Herzen der Stadt, zum großen Pulsgeber für die trierische Wirtschaft", wie Professor Dr. Franz Irsigler bei seinem Festvortrag gestern im Stadtmuseum eindrucksvoll aufzeigte. Heinrichs stadtplanerische Großtat wirkt auch nach 1050 Jahren fort. Den Platz und das umgebende Straßennetz gibt es immer noch. Die Bebauung hat sich im Laufe der Jahrhunderte oft geändert, selbst den Dom würde Heinrich heute nicht wieder erkennen, weil seine Nachfolger kräftig "angebaut" haben. Aber sein Kreuz hat, im 15. Jahrhundert kräftig nachbearbeitet und an den Seiten um ein Petrusrelief und eine Sonnenuhr ergänzt, Stürme und Kriege überdauert und steht weiterhin mitten auf dem Platz. Ein multifunktionales Symbol, das Irsigler von historischen Ereignissen inspiriert sieht: Da haben Konstantin und Byzanz ebenso Pate gestanden wie der Sieg König Ottos (Blutsverwandter Heinrichs) 955 über die heidnischen Ungarn auf dem Lechfeld. Nicht zu vergessen der Anspruch des Bischofs auf die Herrschaftsrechte in der Stadt. Die auf dem Kontinent seltene Tatzenkreuz-Form mag auf den Einfluss von irischen Mönchen in Echternach zurückgehen.

Sein goldgefasstes rotes Marktkreuz aus Muschelkalk mit dem weißen Gotteslamm (Symbol der Marktfreiheit und des Marktfriedens) ist neben dem Sockel die einzige Neuanfertigung Heinrichs. Das Kapitell (karolingischen Ursprungs) und die drei Meter hohe römische Granitsäule hat er gewissermaßen "recycelt". Vor mehr als 100 Zuhörern im vollbesetzten Trebeta-Saal zeigte der frisch emeritierte Uni-Historiker Irsigler eine weitere Funktion des Rechts- und Friedensmals auf: Es war Triers erster Pranger - und Zeichen der Hochgerichts-Rechte des Erzbischofs: "Der vom kurfürstlichen Palastgericht zum Tode verurteilte Verbrecher musste, bevor er nach Euren zum Galgen geführt wurde, am Marktkreuz niederknien und jedermann um Verzeihung bitten. Noch 1515 wurde ein Schererknecht als Stadtfriedensbrecher direkt neben dem Marktkreuz enthauptet."

Längst rollen hier keine Köpfe mehr, und das auf der Erde stehende zum Himmel weisende Marktkreuz symbolisiert heute Kontinuität in eigener Sache. Zum Jubiläum hat das Stadt-Denkmalamt die Kopie von Kreuz und Kapitell (die Originale befinden sich seit 1964 vor Wetter und Umwelteinflüssen geschützt im Stadtmuseum) reinigen und farblich auffrischen lassen. Das Resultat des optischen "Faceliftings" konnten die Besucher der Jubiläumsveranstaltung im Anschluss an Irsiglers Vortrag an Ort und Stelle in Augenschein nehmen. Die Hauptmarkt-Exkursion stand unter der Leitung des Historikers Frank G. Hirschmann.

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