Nüchternheit und große Emotionen

MARIAHOF. Als junge Schülerin fand Gisela Kob in einer Tageszeitung eine Abbildung einer Marien-Skulptur von Otto Herbert Hajek. Die erste Spur. Damals ahnte die Kunst-, Musik- und Literaturbeflissene noch nicht, dass Jahre später weitere Spuren folgen sollten und sie mit Hajek bis zu dessen Tod im April diesen Jahres in freundschaftlicher Beziehung verbunden sein würde.

Gisela Kob war Lehrerin für Musik und Literatur am Angela-Merici-Gymnasium. Die bildende Kunst und die Kunstgeschichte, die dritte Disziplin, der sich Kob seit jeher verbunden fühlte, beschäftigte sie auch weiterhin. Nach Mariahof zog sie im Jahr 1976. Den Weg zur kirchlichen Arbeit und in verschiedene Gruppen, Ausschüsse und Gremien wie den Pfarrgemeinderat fand sie wie viele junge Eltern über ihre Tochter."Stundenlang in der Kirche eingeschlossen"

An das Tauziehen um den Bau eines Gotteshauses sowie um die Innenraumgestaltung der Pfarrkirche St. Michael im damals neuen Stadtteil Mariahof kann sich Kob noch genau erinnern, ebenso an die Kontakte mit dem damaligen Pfarrer Erich Nauhauser. Er forcierte damals die Beauftragung des bereits über die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus bekannten Künstlers Otto Herbert Hajek mit der Ausstattung des Kirchenraumes. Im Jahr 1979 konnte dieser endlich mit der Arbeit beginnen. Bis 1982 sollte es dauern, bis der Hauptraum und der Altarraum ihr Gesicht erhalten und alle großformatigen Tafelbilder in der Kirche ihren Platz gefunden hatten. Sie habe sich "stundenlang in der Kirche eingeschlossen", um Raum und Gemälde auf sich wirken zu lassen und die Stimmung zu genießen, erzählt Kob. Gespräche mit dem Künstler und ein reger Briefwechsel sollten ihr engeren Zugang zum Werk verschaffen. Es gab schon zu Hajeks Lebzeiten viel Literatur über seine Kunst, denn er arbeitete nicht nur im sakralen Bereich, sondern auch im öffentlichen. Kob besuchte Hajek in seinem Atelier in Stuttgart, führte ein Interview mit ihm, das im kirchlichen Medium "Das Münster" im Jahr 1986 erschien. Ein "beeindruckendes Erlebnis" sei es gewesen, dem Künstler, den sie bewunderte, so nahe zu kommen. "Er ist Mensch", mit kräftiger Stimme und starker Persönlichkeit, sagt Kob. "Und er hat mir viel Freiraum gelassen." "Das Klischee besagt, Modernes und Emotionen - das geht nicht zusammen. Von wegen. Hajek verwendet ganz tiefe Farben, die ausgesprochen emotional sind. Und die Einfachheit (in Form, Farbe und Struktur, Anm. d. Red.) ist für mich absolut überzeugend", sagt Kob. Diese Nüchternheit habe er auch gelebt. Trotz der Reduktion und Abstraktion in seinen Werken bedient sich Hajek tradierter Farb-Symbolik wie der Farben Blau, Rot und Gold, übersetzt aber das Vokabular der Vergangenheit in eine zeitgenössische, in seine Sprache. Kob spricht auch nach seinem Tod im Präsens von Hajek. "Für mich ist er noch da. Seine Werke - das ist seine Gegenwart. Damit lebt er hier weiter." Kunstinteressierten vermittelt Kob in Führungen durch die Kirche die Kraft und die Aussage der Hajek'schen Werke. Mariahof sei nicht nur ein Ort für seine Exponate, sondern auch impulsgebend für Hajek gewesen, sagt Kob. Den Zyklus "Das himmlische Jerusalem", der in sechs Tafelbildern an den oberen beiden Galerien der Kirche zu sehen ist, habe Hajek später noch einmal thematisch aufgegriffen. Kob arbeitete und sparte die vergangenen Jahre darauf hin, einen gedruckten Führer anfertigen und verlegen zu lassen, um das Werk Hajeks - vor allem nun, seit er im April 2005 im Alter von 77 Jahren verstarb - nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Mittlerweile müssen der Innenraum der Kirche saniert, die Bilder aus luftiger Höhe abgehängt werden. Ein passender Moment, um sie für den geplanten Kunstführer ablichten zu lassen.

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