Nur ein Kavaliersdelikt?

Eine Männerzeitschrift hat ihre Leser befragt, was Männer am häufigsten am Arbeitsplatz entwenden würden. Nur 30 Prozent der Befragten hatte noch nie etwas mitgehen lassen. Der Rest gab zu, schon mal Kugelschreiber, Papier, CD-Rohlinge und anderes Nützliches gestohlen zu haben.

Ich glaube, das ist kein rein männliches Problem. Vielleicht muss nur mal eine Frauenzeitschrift die Geschlechtsgenossinnen nach ihrer "kriminellen Energie" befragen. Aber mir gibt diese Notiz - ganz unabhängig vom Geschlecht - zu denken: Offenbar ist es strafbar, Geld oder Autos zu stehlen, aber es scheint nicht so schlimm zu sein, Kugelschreiber, Papier oder andere Büroartikel am Arbeitsplatz zu entwenden. Letzteres ist eher normal, gehört zum Alltag. "Das macht doch jeder", mag sich vielleicht der Dieb dabei denken. Ärgerlich ist es aber für den Kollegen, der am nächsten Tag verzweifelt nach dem Kugelschreiber sucht. Oder dem ein paar Blatt Papier fehlen, um schnell wichtige Geschäftsunterlagen auszudrucken. Das alttestamentliche Gebot "Du sollst nicht stehlen" hat klar erkannt: Wer etwas stiehlt, schadet damit einem anderen. Dumm nur, wenn der Dieb selbst einmal zu den Bestohlenen gehört. Wenn er am eigenen Leib erfährt, wie ärgerlich es ist, dass vielleicht Materialien fehlen, um ordentlich zu arbeiten. Dann ist das alte Gebot "Du sollst nicht stehlen" hoch aktuell. Dinge mitgehen zu lassen, seien sie noch so geringfügig, ist eben kein Kavaliersdelikt, sondern Diebstahl. Vanessa Kluge, Pfarrerin z. A. kluge.ehrang@ekkt.de

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