Odyssee durch Trier

Trier · Stellen Sie sich vor, Sie kämen als Flüchtling nach Trier. Wo wäre Ihre erste Anlaufstelle, und wie würden Sie dorthin gelangen? Was wartet dort als Nächstes auf Sie - und wohin ginge Ihre Reise dann weiter? Beim Stadtrundgang "Sieh um dich" zeichnet Andreas Flämig vom Caritasverband die Wege von Flüchtlingen in Trier nach und gibt einen Einblick in die kleineren und größeren Herausforderungen für die Neuankömmlinge. Der Weg führt durch wichtige Stationen in der ganzen Stadt.

 Flucht ist kein neues Phänomen. Es zieht sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte und birgt auch nach wie vor große Herausforderungen, erläutert Andreas Flämig (links) auf seiner Stadtführung. TV-Foto: Nina Altmaier

Flucht ist kein neues Phänomen. Es zieht sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte und birgt auch nach wie vor große Herausforderungen, erläutert Andreas Flämig (links) auf seiner Stadtführung. TV-Foto: Nina Altmaier

Foto: Nina Altmaier

Trier. In Deutschland werden Flüchtlinge auf die Bundesländer verteilt, und Aufnahmeeinrichtungen nehmen oft nur Flüchtlinge aus bestimmten Regionen oder Ländern auf. Um aufgenommen zu werden, müssen Flüchtlinge daher manchmal in ein anderes Bundesland weiterreisen. Oft erfolgt diese Verteilung per Zug. Der Flüchtling erhält einen Zettel, den er am Bahnhof gegen ein Ticket eintauschen kann. Schon taucht ein Problem auf, dem man auf der Tour immer wieder begegnet: Kommunikation. Die Flüchtlinge sprechen meist noch kein deutsch und vielleicht auch nur wenig englisch. Manche glauben daher, der Zettel, den sie bekommen haben, sei schon ein Ticket. So können sie unbeabsichtigt zu Schwarzfahrern werden. Und wenn man mal falsch umsteigt? Das ist genau das gleiche Problem.

Ankommen in Trier:
Die Trierer Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) ist wieder nur ein Zwischenstopp auf dem Weg der Flüchtlinge. Eigentlich sollten sie maximal drei Monate dort bleiben, für die Dauer ihres Verfahrens. Für eine Mehrzahl von ihnen dauern die Verfahren aber ein bis zwei Jahre, weshalb einige schon ohne Aufenthaltsgestattung auf die Kommunen verteilt werden. Von hier aus werden sie auf die Kommunen verteilt, aber erst, wenn sie noch einige andere Hürden genommen haben. Auf dem AfA-Gelände gibt es auch eine Schule. Hier wird bei den Kindern ein Grundstein für das Deutschlernen gelegt. Sie lernen schnell und fungieren oft für ihre Eltern als Übersetzer, was für sie aber auch Stress und Überforderung bedeuten kann.

Das ärztliche Okay: Der erste Weg führt die Flüchtlinge in Trier zum Gesundheitsamt. Hier werden sie auf ansteckende Krankheiten untersucht. Das Problem: Oft denken sie, dass sie völlig gesund seien, wenn sie die Untersuchung hinter sich haben, dabei wird gar nicht alles untersucht. Wer trotzdem krank wird, der kann auch nicht einfach zum Arzt gehen. Die Flüchtlinge haben keine Krankenversicherung und müssen sich beim Sozialamt einen Behandlungsschein abholen. Den gibt es aber häufig nur bei akuten Schmerzen. Zusätzlich zeigt sich wieder das Kommunikationsproblem: Wer einen Dolmetscher mit zum Arzt nehmen muss, der muss diesem intime Details anvertrauen, die eigentlich zwischen Arzt und Patient bleiben sollten.

Offizielles Interview: Ob ein Flüchtling bleiben darf, entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. In einem Interview muss der Flüchtling erklären, warum er nicht in seiner Heimat bleiben konnte. Zuerst werden hier aber die Fingerabdrücke genommen, und ein vorläufiges Ausweisdokument wird erstellt. Weil das auch eine Weile dauert, sind die Flüchtlinge für eine Zeit lang ohne Pass. Das kann zu vielen unerwarteten Problemen führen. Zum Beispiel kann man ohne Ausweis keinen Handyvertrag abschließen und auch kein Konto eröffnen. Wer kein Konto hat, kann aber auch keine Sozialhilfe bekommen oder Geld in die Heimat schicken, um Verwandten die Möglichkeit zu geben, sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen.
Extra

In vielen der Länder, aus denen Flüchtlinge zu uns kommen, gibt es gar kein aufwendiges Postsystem mit Briefkästen und Namen an der Haustür - dort weiß der Postbote einfach, wo jeder wohnt. Auch die deutsche Mülltrennung ist nicht auf Anhieb leicht zu durchschauen. Diese scheinbaren Kleinigkeiten können zu Konflikten führen und machen deutlich, wie wichtig eine Möglichkeit zur Verständigung ist. Deutschkurse gibt es aber nur für anerkannte Flüchtlinge. Organisationen wie das multikulturelle Zentrum versuchen hier entgegenzuwirken. nia

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