Odyssee für ein Paar Einlagen

TRIER. Wäre Lothar Meuser nicht so gut zu Fuß und hätte er mehr Vertrauen in die Gesundheitspolitik, wäre er heute um knapp 200 Euro ärmer. Der Trierer musste seine ganze Energie einsetzten, um bei seinem Arzt zu seinem Recht zu kommen. Komplizierte Verordnungen sind Schuld an seiner Odyssee.

 Lief sich für seine Einlagen die Hacken wund: Lothar Meuser.Foto: Christiane Wolff

Lief sich für seine Einlagen die Hacken wund: Lothar Meuser.Foto: Christiane Wolff

Bedarf - Notwendigkeit - Richtlinie: Solche dehnbaren Begriffe kommen zu Hauf vor in den Verordnungen darüber, wann ein Arzt welches medizinische Hilfsmittel auf Krankenkassen-Kosten verschreiben darf. Dazu kommt, dass für jedes Hilfsmittel - ob Allergie-Bettüberzüge, Schuh-Einlagen oder "Krücken" - andere Vorschriften gelten. Manche dürfen nur alle zwei Jahre verschrieben werden, bei anderen hängt es alleine von der Beurteilung des Arztes ab, wie oft die Kasse für ein Hilfsmittel aufkommen muss. Noch komplizierter wird die Sache dadurch, dass jede Kasse die Verordnungs-Richtlinien anders auslegt: Die eine zahlt für Allergiebettwäsche, bei der anderen muss der Patient selbst für den Schutz vor den krank machenden Milben aufkommen. Wozu die tausenderlei Richtlinien, Ausnahmen und Einzel-Regelungen - die kaum ein Arzt und nur wenige Krankenkassen-Mitarbeiter völlig durchblicken - führen können, hat der Trierer Lothar Meuser am eigenen Leib erfahren: "Weil ich für meine Sommer-Sandalen neue Einlagen brauchte, bin ich zu meinem Orthopäden gegangen. Doch der sagte mir, dass er Einlagen nur alle zwei Jahre verschreiben dürfe, es sei denn, ich hätte eine Bestätigung von meiner Krankenkasse, dass diese die Kosten häufiger übernehmen würde." Lothar Meuser wunderte sich, schließlich sei es doch völlig nachvollziehbar, dass man für Sommerschuhe andere Einlagen brauche als für Winterschuhe. Dann machte er sich auf zur AOK-Filiale in der Paulinstraße. "Dort sagte man mir, dass Einlagen immer verschrieben werden dürften, wenn der Arzt das für nötig befinde", erzählt Meuser. Also zurück zum Orthopäden. "Aber die Sprechstundenhilfe bestand auf einen schriftlichen Beweis", erzählt Meuser von seiner Odyssee. Zum zweiten Mal ging's in die Paulinstraße. Nach längerer Diskussion drückte ihm die AOK-Mitarbeiterin schließlich einen Genehmigungs-Stempel auf das vorgedruckte, aber noch nicht unterschriebene Rezept. "Aber nur unter Protest und mit dem Hinweis, dass für Einlagen ein solcher Stempel absolut unnötig sei", sagt Meuser. Mit dem AOK-Stempel und zurück in der Orthopädie-Praxis hatte Meuser endlich Erfolg: Der Arzt unterschrieb das Rezept. "Es kann doch nicht sein, dass ich den Laufburschen spielen muss, bevor ich zu meinem Recht komme", empört sich Meuser über die Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Arzt und AOK.Keine Mindestnutzzeit für Einlagen

Laut allgemeinen Hilfsmittelrichtlinien, die auf der Homepage des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen ( www.vdak-aev.de) einzusehen sind, gibt es für Einlagen keine "Mindestgebrauchszeit". Claus Heiser, bei der AOK Trier Leiter der Abteilung Rehabilitation, bestätigt: "Wenn ein Versicherter auf Grund einer Diagnose mit Einlagen versorgt werden muss, dann übernehmen wir die Kosten. Dabei ist klar, dass Einlagen für einen Halbschuh nicht in Sandalen gelegt werden können." Gleichzeitig schränkt er ein: "Es muss natürlich in einem vernünftigen Ausmaß bleiben." Genau bei dieser Unschärfe setzt der Trierer Orthopäde, bei dem Meuser in Behandlung ist, an: "Von Kollegen haben wir gehört, dass sie von Kassen in Regress genommen worden sind und mehrere hundert Euro zahlen mussten, weil sie zu häufig Einlagen verschrieben haben. Seitdem sind wir vorsichtig geworden." Schließlich seien es bei Lothar Meuser die dritten Einlagen innerhalb eines Jahres. Der Mediziner ärgert sich über den bürokratischen Aufwand. Die Verordnungen seien zu komplex und vielschichtig und änderten sich zudem ständig. Alle Einzelheiten und Ausnahmen für jedes Hilfsmittel zu kennen, sei beinahe unmöglich. "Manchmal kommt es mir vor, dass ich länger mit dem Lesen und Heraussuchen von Verordnungs-Bestimmungen beschäftigt bin als mit der Medizin."

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