Öffentlich galt ich nur als Kopie

TRIER. Die Lachmuskeln der Tufa-Besucher strapazierte Kabarettist Ulrich Michael Heissig im Gewand der von ihm geschaffenen Kunstfigur Irmgard Knef, "der verleugneten Schwester von Hildegard". Sein Programm "Die letzte Mohikanerin" pendelte zwischen unkonventioneller Hommage an die Knef und köstlicher Satire.

"Ein Kracher" oder: "Morgen habe ich Lachmuskelkater", klingt es aus einem sichtlich gut gelaunten Publikum, das unter dem Eindruck eines originellen Abends voller aberwitziger Geschichten und vergnüglicher, musikalisch ausgefeilter Chansons steht. Sein brandender Applaus gilt Irmgard Knef, einer Blondine mit heiserer Stimme, angeklebten Wimpern und riesigen getönten Brillengläsern, die wie eine Reinkarnation von Hildegard Knef aussieht. "Renate Uhse" ist schon tot

Das "Aussehen wie" ist roter Faden des Programms von Ulrich Michael Heissig, der hinter der Verkleidung steckt und als Mann den spröden Knef-Charme perfekt pointiert. Denn in seiner Figur "Irmgard" kultiviert er die spezielle Tragik, immer nur verleugnete Schwester und Duplikat der großen Hilde zu sein. Zur Melodie von "Für mich soll's rote Rosen regnen", singt er von der niederschmetternden Erfahrung Irmgards, beim Casting gegen ihre Schwester den Kürzeren gezogen zu haben. So dass der Wunsch "Auch ich wollt' gern mal Rosen kriegen" ebenso wenig in Erfüllung ging, wie der, als Hollywood-Star Eindruck zu schinden - "dabei klebte ich nicht einmal in Spinden". Aber gerade diese Tragik macht Irmgard so anrührend - eine mit ihrem Schicksal hadernde, grantelnde Grande Dame. Zumal sie die letzte Repräsentantin einer großen Zeit ist - ihre Altersgenossinnen "Helene Dietrich" oder "Helga Meysel" sind ja schließlich schon tot. Und nicht nur die, auch "Renate Uhse", die sich als letzter Versuch, eindeutig Stellung zu beziehen, vor dem Erotik-Shop von Dolly Buster das Genick brach. Heissig brennt ein Feuerwerk aberwitziger Anekdoten ab und streift dabei auch die Merkwürdigkeiten der Jetztzeit. Im charakteristischen Erzählstil der Knef, mit zum Ende des Satzes genuschelten und halb verschluckten Worten beschreibt er den Wandel einer jungen Frau vom unbeschriebenen Blatt per Tätowierung zu "Mimikry total - jedenfalls vor einer Graffiti-Wand". Oder er macht aus ihr eine letzte Mohikanerin: "Die Artenvielfalt geht ganz rasant zur Neige, es lebt das globale Einerlei". Gerade deshalb trotzt Irmgard mit ihrer ureigenen Freude am Leben dem Alter und der Gebrechlichkeit, taucht in den Jungbrunnen des Bühnendaseins oder verliebt sich ausgerechnet an einem Ort des bewussten Trennens (Altglascontainer) in einen fünf Dekaden jüngeren Mann. Auf ihrem Grabstein soll dereinst, frei nach Luther stehen: "Hier liege ich, ich kann nicht anders". Doch davor soll das Gesamtkunstwerk ihrer Existenz in eine vierte Programm-Runde gehen und sich nach Wagner-Art mit den vorherigen zum "Ring des nie Gelungenen" verbinden. Nach diesem Abend in der Tufa ein verlockendes Versprechen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort