Offene Ohren für Bürger

Mit einem konkreten Zeitplan arbeitet die Stadt Trier auf den ersten "Bürgerhaushalt" 2010 hin. Dabei sollen die Bürger umfassend informiert werden und selbst auch Vorschläge zu städtischen Finanzen machen können. Das Defizit im Haushalt 2008 fällt um 1,73 Millionen Euro günstiger aus (siehe Extra).

 Blick auf die Trierer Innenstadt mit Rathaus-Komplex (links) und Theater (Mitte): Künftig sollen Bürger detailliert sagen können, wie sie den Haushalt gestalten würden. TV-Foto: Gerhard Steinle

Blick auf die Trierer Innenstadt mit Rathaus-Komplex (links) und Theater (Mitte): Künftig sollen Bürger detailliert sagen können, wie sie den Haushalt gestalten würden. TV-Foto: Gerhard Steinle

Trier. Schon im Dezember 2007 beschloss der Trierer Stadtrat einstimmig einen Antrag aller Fraktionen: Bis Mitte 2008 sollte die Verwaltung ein Konzept für einen sogenannten Bürgerhaushalt ausarbeiten. Dabei soll auf Basis einer ausführlichen Information über den städtischen Haushaltsplan ein intensiver Dialog zwischen Verwaltung, Stadtrat und Bürgerschaft entstehen. Welche Einnahmen und Ausgaben sind sinnvoll oder überflüssig? Wo gibt es Investitionsbedarf oder Sparpotenzial? Schließlich sollen Verwaltung und Rat Rechenschaft darüber ablegen, inwieweit Ergebnisse aus der Beteiligung in den Haushalt einfließen.

Zur Sitzung des Steuerungsausschusses am Dienstagabend beantragte die CDU einen Sachstandsbericht der Verwaltung. Oberbürgermeister Klaus Jensen verwies auf die Arbeitsgruppe "Rat & Verwaltung", die sich damit befasst hatte. In einem Brief vom 10. November an die AG schlägt der OB einen konkreten Fahrplan vor. Den Auftakt macht eine Informationsveranstaltung über Bürgerhaushalte in anderen Städten, spätestens im Januar 2009. Einen entsprechenden Ratsbeschluss vorausgesetzt, folgen Informations- und Konsultationsphase. Im Dezember 2009 könnte der Rat den ersten Bürgerhaushalt verabschieden.

"Ein sehr ehrgeiziger Plan", befand Jürgen Plunien, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU, bei der Diskussion im Ausschuss. Der Name Bürgerhaushalt könne falsche Erwartungen wecken, da die Entscheidung beim Rat liege.

Jensen erwiderte, der Begriff sei so üblich und umfasse die unterschiedlichsten Stufen von Beteiligung. Einsparungen durch einen Doppelhaushalt für zwei Jahre seien sinnvoll, jedoch erst für 2011/12 anzustreben: "Die Einführung der Doppik hat absolute Priorität."

SPD-Fraktionssprecher Friedel Jaeger wunderte sich über Bedenken der CDU: "Der Rat gibt keinerlei Kompetenzen ab." Daraufhin versicherte Plunien, keineswegs hinter den Beschluss vom Dezember 2007 zurückzuwollen. Richtung Jaeger sagte Plunien scherzhaft: "Jetzt wollte ich Sie ein Mal glücklich machen, da sind Sie wieder unzufrieden."

UBM-Fraktionssprecher Manfred Maximini regte an, aus den vorliegenden Bürgergutachten eine Prioritätenliste zu erstellen: "Das kann ein wichtiger Türöffner sein." Jensen hält das für wenig zweckmäßig: "Einige Gutachten sind schon zehn Jahre alt. Wir können keine 1800 Maßnahmen in eine Liste bringen."

Meinung

Von Marcus Hormes

Zwischen Genie und Wahnsinn

Grundsätzliche Bedenken gegen einen Bürgerhaushalt vorzubringen, wäre unpopulär, zumal mit Blick auf die Kommunalwahl. Doch zum Glück sind sich die Fraktionen im Trierer Stadtrat ohnehin einig, das Experiment zu wagen. Aus demokratischer Sicht trifft die Idee einer intensiven Beteiligung der Öffentlichkeit voll ins Schwarze. Zwischen den Finanzexperten im Rathaus und den Volksvertretern auf der einen Seite sowie der breiten Masse der Wähler auf der anderen Seite ist die Distanz beim komplexen Thema Haushalt besonders groß. Die Hemmschwelle abzusenken und Berührungsängste zu vertreiben, ist ein hehres Ziel. Es kommt entscheidend auf den konkreten Weg, auf die Methodik an. Denn die Gefahr, sich zu verzetteln, ist groß. Beispiele anderer Städte vermitteln mit überzogenem Anspruch an Beteiligung den Eindruck, dass der geplante Geniestreich in einen Akt des Wahnsinns ausgeartet ist. m.hormes@volksfreund.de

EXTRA

Haushalt 2008: Zur Kenntnis nahm der Steuerungsausschuss des Stadtrats das vorläufige Rechnungsergebnis 2008 (Stand: 30. September). Demnach ergibt sich ein Gesamt-Fehlbedarf von 113,41 Millionen Euro. Im Vergleich zur Verabschiedung des Etats reduziert sich das Defizit damit um 1,73 Millionen Euro. Hintergründe sind unter anderem höhere Einnahmen bei Gewerbesteuer und Gewinnausschüttung der Stadtwerke sowie Einsparungen bei den Personalkosten. Uschi Britz (Grüne) ergänzte, das positive Zwischenergebnis sei auch durch relativ viele Haushaltsreste bedingt. Manfred Maximini (UBM) monierte die Zweitwohnsitzsteuer für Studenten, die aus Heimatverbundenheit einen Nebenwohnsitz in Trier belassen. Oberbürgermeister Klaus Jensen sagte eine rechtliche Prüfung zu. (cus)

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