Offenes Ohr für Opfer

TRIER. Die Trierer Interventionsstelle hat ihre Arbeit aufgenommen. Polizeiinspektionen im gesamten Präsidiumsbezirk informieren die Stelle über häusliche Gewaltakte.

Es ist Wochenende. Das Mittagessen steht auf dem Tisch. "Schon wieder Nudeln! Ich hab doch gesagt, ich Fleisch will!", motzt der Ehemann und schlägt zu. Nicht mit der Faust auf den Tisch, sondern in das Gesicht seiner Frau. "Es hört sich absurd an", sagt Diplom-Psychologin Astrid Pößiger. "Aber wenn die Gewaltspirale sich lange genug gedreht hat, reicht manchmal der banalste Anlass, damit gewalttätige Männer zuschlagen." Häufig spielen sich diese Misshandlungen hinter verschlossenen Türen ab.Psychologinnen helfen weiter

Die Frauen können sich oft nicht aus ihrer Notlage befreien, weil sie sich schämen, vor ihrem Peiniger ängstigen oder nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Eskaliert die Prügel, haben manche das Glück, dass Nachbarn oder die eigenen Kinder die Polizei rufen. Anders als früher, sind die zu Hilfe gerufenen Beamten nicht mehr davon abhängig, dass die Frauen Anzeige erstatten. Die Polizisten können den Schläger sofort - ohne gerichtliche Anordnung - für längere Zeit aus der gemeinsamen Wohnung verweisen. Das Gewaltschutzgesetz von 2002 sieht auch vor, dass die Polizei Informationen über solche Einsätze weiterleitet. Sind die gepeinigten Frauen einverstanden, geben die Beamten deren Telefonnummern an Beratungsstellen weiter, die dann Kontakt zu den Frauen aufnehmen. In der Großregion ist die Adresse, an die die Telefonnummern geleitet werden, die "Interventionsstelle Trier" (IST). Seit Mitte November gibt es die Beratungsstelle, die vom Land mit 50 000 Euro pro Jahr finanziert wird. Träger sind die Trierer Organisationen "Frauenhaus" und "Frauennotruf", die zusätzlich 5000 Euro fließen lassen. Das gemeinsame Konzept der Institutionen hatte das Frauenministerium in Mainz überzeugt - der Doppel-Träger bekam bei der Ausschreibung der Interventionsstelle den Zuschlag. Die Psychologinnen Astrid Pößinger und Pascale Scalla teilen sich die 34-Stunden-Stelle. Zwölf Mal hat die Polizei ihnen schon Adressen von misshandelten Frauen weitergeleitet. "Wir versuchen, die Frauen telefonisch zu erreichen. Klappt das nicht, schicken wir einen Brief", erklärt Pascale Scalla. "Pro-aktiver Ansatz", nennen die beiden jungen Frauen diesen entscheidenden Unterschied zu anderen Frauenberatungsstellen: Bei allen übrigen Stellen müssen die geschlagenen Frauen selbst den ersten Schritt tun. "Das fällt manchen schwer. Spricht man sie jedoch konkret auf die erfahrene Gewalt an, ist das wie ein Strohhalm, nach dem sie greifen können - auch, wenn sie sich von selbst nicht bei uns gemeldet hätten." Auf keinen Fall wollen die Psychologinnen die Frauen zwingen, über das Problem zu reden. "Manche wollen nicht mit uns sprechen", sagt Pößiger. "Das akzeptieren wir natürlich. Aber wir wollen den Frauen wenigstens die Gelegenheit geben." Die Psychologinnen bieten Beratungsgespräche an. Dabei werden Notfallpläne erstellt. Besprochen wird, ob der Mann eine Waffe hat, welche Beratungsstellen für weitere Hilfe in Frage kommen und welche rechtlichen Möglichkeiten die Frauen haben. "Wir sind die erste Anlaufstelle und zeigen Wege auf, wie es weitergehen könnte." Die IST, Deutschherrenstraße 38, ist zu erreichen unter Telefon 0651/9948774, E-Mail: interventionsstelle-trier@web.de. Spendenkonto: Sparkasse Trier, BLZ 585 501 30, Ktnr. 448530.

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