"Oh hei, de Jupp!"

Seit zehn Jahren Rentner, aber immer noch der personifizierte Volksfreund und ein echtes Trierer Original: Fotografen-Legende Josef Tietzen feiert morgen, Sonntag, seinen 75. Geburtstag.

Trier. (rm.) Mit Josef Tietzen durch die Stadt zu gehen, kann sich als sehr langwieriges Unterfangen erweisen. An allen Ecken großes Hallo: "Oh hei, de Jupp!" Heute bleibt "Tietzens Jupp" auch mal auf ein Schwätzchen stehen: "Jetzt habe ich ja Zeit. Früher war ich meist in Hektik." Nicht selten kam an manchen Tagen ein Dutzend Fototermine zusammen, die alles andere als planbar waren und manchmal auch nicht enden wollten: 1972, als bewaffnete Gangster das Waffengeschäft Wagner in der Paulinstraße überfielen und Frau und Kind als Geiseln nahmen, lag Tietzen 24 Stunden lang auf dem Dachboden auf der Foto-Lauer - nicht ganz freiwillig, "denn ich kam nicht mehr raus - alles war hermetisch abgeriegelt". Die belichteten Filme beförderten Polizisten zur TV-Redaktion.

Das fotografische Kämpfertum an allen Fronten war Tietzens Metier. Genießen konnte er es in aktiven Zeiten selten. Eher brachte es erschütternde Erlebnisse: "Ich komme abends spät von der Arbeit nach Hause, da klingelt schon wieder das Telefon: tödlicher Verkehrsunfall. Und an der Unfallstelle sehe ich dann, dass der Tote ein Bekannter ist." Ebenfalls unauslöschlich in Erinnerung bleibt die legendäre Szene aus der Europahalle. Bei einer Lesung warf ihm Curd Jürgens, der sich von Fotografen gestört fühlte, ein Buch hinterher: "Aber ich war nicht der Missetäter. Das war ein ganz anderer."

"Schuldig" bekennt sich Tietzen aber eines fortgesetzten Mehrfach-Vergehens: dem Tragen von Schuhen mit quietschender Gummisohle in Tateinheit mit dem Mitschleppen von Leitern, um besonders festliche Momente aus erhöhter Warte auf Ilford HP 5 Schwarzweiß-Film zu bannen.

Der originellste bekannte Stoßseufzer als Reaktion auf den unverwechselbaren (aber ungemein effektiven) Arbeitsstil stammt vom damaligen Uni-Kanzler Ignaz Bender: "Mitten im Gewühle steigt er auf die Stühle. Ach, tät' er nur knipsen - im Sitzen."

Ab 1966 in TV-Diensten



1966 war der zuvor für die Landeszeitung tätige Tietzen als fest angestellter "Lichtbildner" in TV-Dienste getreten. 1998 ging er in Ruhestand, blieb dem TV aber noch fünf Jahre als freier Mitarbeiter erhalten. Frühzeitig auf Digitaltechnik umgestiegen, fotografiert er immer noch, vor allem sein "heiß geliebtes Trier".

Den morgigen 75. Geburtstag feiert der Wahl-Irscher, der für viele Trierer immer noch "der Mann vom Volksfreund" ist, im Familienkreis (Frau Margret, drei Kinder samt Anhang, acht Enkel, ein Urenkel). Der Jubilar wünscht sich "nichts, außer dass ich noch einige Jahre gesund leben und bei der Heilig-Rock-Ausstellung 2012 fotografieren darf". Vielleicht wird ein weiteres Buch das Resultat sein. Die aktualisierte zweite Auflage seines Bildbands "Trier" (Weyand-Verlag) geht nämlich zur Neige.

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