"Ohne Tanja ist das Haus leer"

Seit Anfang Juni letzten Jahres ist die 21-jährige Trierer Studentin Tanja Gräff verschwunden. Sie fiel vermutlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer. Tanjas Eltern plagt vor allem die Ungewissheit über das Schicksal und den Verbleib ihrer einzigen Tochter. In einem öffentlichen Appell bitten sie nun den vermeintlichen Mörder um einen Hinweis, "wo wir Tanja finden".

 Waltraud und Karl-Heinz Gräff vor einem Bild der vermissten Tochter Tanja. TV-Foto: Friedemann Vetter

Waltraud und Karl-Heinz Gräff vor einem Bild der vermissten Tochter Tanja. TV-Foto: Friedemann Vetter

Korlingen. "Wenn Eltern ein Kind begraben müssen, ist das schon das Schlimmste, was es gibt", sagt der Psychologe Karl-Günther Theobald. Noch schlimmer aber sei es, "wenn man gar nicht weiß, wo das Kind geblieben ist". Wenn sich diese Situation über Monate hinziehe, seien häufig traumatische Störungen die Folge. Theobald weiß, wovon er spricht. Als Mitarbeiter des Weißen Rings kümmert sich der Mainzer Psychologe seit Jahren um Kriminalitätsopfer und ihre Familien.

Die Gedanken kreisen immer um die Tochter

Auch die Familie Gräff hat mehrfach professionelle Hilfe aufgesucht, seit die einzige Tochter Tanja vor neuneinhalb Monaten spurlos verschwunden ist. "Viel geholfen", sagt die Mutter rückblickend, "hat es nicht." Wenn die 51-Jährige und ihr zwölf Jahre älterer Ehemann alleine zu Hause sind, dann kreisen die Gedanken wieder zwangsläufig um die einzige Tochter, die seit dem 7. Juni vergangenen Jahres nicht mehr da ist. "Auf das gemeinsame Essen", sagt die Mutter, "hat Tanja immer so großen Wert gelegt." "Ohne Tanja", ergänzt ihr Vater, "ist das Haus leer, es ist für uns tot." An der Wand im Esszimmer der Gräffs hängt ein großes Foto der hübschen, rothaarigen jungen Studentin. Es ist eines der Bilder, das die Polizei nach Tanjas Verschwinden veröffentlicht hat, um Hinweise auf den Verbleib der 21-Jährigen zu bekommen. Hinweise gingen in den Wochen und Monaten zwar Hunderte ein. Doch eine heiße Spur, die die anfangs über 60-köpfige Sonderkommission entscheidend weitergebracht hätte, war nicht darunter.

Auch ein kleiner Bär auf einem Stuhl im Flur der Gräffs trägt ein T-Shirt mit dem Foto der fröhlich lächelnden jungen Frau. Eine Nachbarin habe das Hemdchen bedrucken lassen, erzählt die Mutter, "weil Tanja Bären doch so gerne mag".

Dankbar für jede Hilfeleistung

In solchen Augenblicken fällt es Außenstehenden schwer, etwas zu sagen. Das weiß auch Waltraud Gräff, die derartige Situationen in den letzten Monaten schon häufiger erlebt hat. "Natürlich waren und sind viele Menschen aus unserem Bekannten- und Freundeskreis verunsichert. Sie fragen sich etwa: Können wir mit den Gräffs jetzt noch über unsere eigenen Kinder reden?" In Tanjas großem Freundes- und Kommilitonenkreis wurde dagegen nach dem Verschwinden der 21-Jährigen nicht lange überlegt. Die jungen Leute starteten eine beispiellose Such-Aktion, kümmerten sich auch um Tanjas Eltern und schirmten sie vor dem anfänglichen Ansturm der Medien ab. Auch an diesem Tag, an dem sich Tanjas Eltern auf eigenen Wunsch erstmals öffentlich äußern, sitzen mit Christian Jäger und Christoph Krier zwei der Haupt-Initiatoren mit am Tisch. "Für jede Hilfeleistung sind wir froh und dankbar", sagt Waltraud Gräff. Besonders stolz aber sei sie darauf, "dass Tanja solche Freunde hat. Unglaublich, wie die uns geholfen, Trost gespendet und einfach angepackt haben."

Und dann ist es der 51-Jährigen noch ein Anliegen, an die Eltern und Angehörigen zu erinnern, denen ein ähnliches Schicksal widerfahren ist. "Die Menschen vergessen einfach zu schnell", sagt Tanjas Mutter. "Unser Bestreben ist es, dass die vielen Vermisstenfälle nicht in Vergessenheit geraten."

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