Optimismus bis zum Schluss

TRIER. Die Hoffnung stirbt zuletzt: So alt dieses Zitat ist, so sehr trifft es die Stimmung in der Trierer SPD-Fraktion am Sonntagabend.

Wie die Trierer bei der Europawahl abgestimmt haben, wird zuerst festgestellt. Gegen 19 Uhr sind im Rathaus auf einer großen Leinwand die Europa-Stimmen aus den bereits ausgewerteten Trierer Wahlbezirken zu lesen. Und während in einzelnen Stadtteilen über 30 Prozent der Wähler für die Grünen in Brüssel gestimmt haben, dümpelt die SPD bei 20 Prozent. Die Listen-Vorderen der Trierer Grünen-Fraktion werten die hervorragenden Europa-Ergebnisse ihrer Partei offensichtlich als gutes Omen für die Ergebnisse bei der Stadtratswahl. Beinahe taumelig vor Freude klopfen sie sich gegenseitig auf die Schultern. Für den Listen-Ersten der Trierer SPD-Fraktion ist das Europa-Ergebnis dagegen nicht Richtung weisend: "Das ist doch alles Kaffeesatz-Leserei", weigert sich Friedel Jaeger, die Trierer Europa-Ergebnisse als Prognose-Vorlage für die Stadtratswahl zu interpretieren. Schließlich ist Europa nicht Trier. Über zweieinhalb Stunden später lässt Jaeger sich immer noch nicht auf Vorhersagen ein. Obwohl mittlerweile 74 der 100 Stimmbezirke ausgezählt sind. Zwischenergebnis der SPD: 12,2 Prozent. "Da fehlen noch die vier Briefwahlbezirke und die panaschierten und kumulierten Wahlzettel", sagt der 57-Jährige, "und die werden erst morgen ausgezählt". Fraktionskollege Rainer Lehnart ist ebenfalls zuversichtlich: "Die Zahl der kumulierten und panaschierten Stimmen ist größer als sonst", sagt er, "da kann noch alles passieren". Als Oberbürgermeister Helmut Schröer herein kommt und die Vergleichszahlen von der Stadtratswahl 1999 für den gleichen Auszähl-Status nennt, bestätigt sich der vorsichtige Optimismus der beiden Sozis: Bei 14,8 Prozent lag die SPD vor fünf Jahren ohne die panaschierten, kumulierten und per Briefwahl abgegebenen Stimmen. Im Endergebnis erreichte die Trierer SPD damals 28 Prozent. "Rechnet man davon ausgehend hoch, haben wir am Ende vielleicht ein Minus von 2,5 Prozent", sagt Lehnart. Ernst sind die Minen der beiden jedoch trotz optimistischer Berechnungen. Denn ein Minus von 2,5 Prozent wäre ein Einbruch auf ohnehin schon niedrigem Niveau. Die SPD hat nach ihrer Spaltung 1992 - aus der die UBM geboren wurde - stetig an Boden verloren: 1989 kam die SPD bei der Kommunalwahl noch auf 42,2 Prozent, 1994 waren es 31,6 Prozent, vor fünf Jahren 28.Kalter Wind aus Berlin

An ihrer eigenen Politik oder an Unstimmigkeiten in den eigenen Reihen liege es nicht, wenn die SPD bei dieser Wahl wieder ein paar Prozentpunkte verliere, sind sich Jaeger und Lehnart einig. "Wir haben regelmäßig das Pech, dass die SPD auf Bundesebene just zu den Zeitpunkten der Kommunalwahlen immer in Tiefs steckt", sagt Lehnart. "Und das wirkt sich dann nunmal auf kommunaler Ebene aus." Jaeger bestätigt: "Während des Wahlkampfs habe ich bei Gesprächen mit den Bürgern festgestellt, dass uns durch die Berliner Politik ein kalter Wind entgegen weht. Diese Wahl ist eher eine Denkzettelwahl für die Regierung als eine Kommunalwahl." Die Oppositionsparteien im Bundestag würden sich dagegen immer positiv auf ihre "kleinen Geschwister" auf kommunaler Ebene auswirken. Tatsächlich zeichnet sich am Wahlabend ab, dass die FDP es in den Stadtrat geschafft hat. "Grundsätzlich ist das zu begrüßen", sagt Friedel Jaeger. Ob dadurch im Stadtrat ein frischer Wind wehen wird oder ob sich die UBM nur noch fester mit der CDU zusammenschließe, könne man allerdings noch nicht vorhersagen. Und dann wagt Lehnart seine einzige unverrückbare Prognose des Abends: "Fest steht, dass die Stadtratssitzungen dann eine halbe Stunde länger dauern werden, weil es eine Rede mehr geben wird."

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